Blog 48 | Wollen x Können x Dürfen – die Formel für eine erfolgreiche Nachfolge

Die Übergabe eines Unter­nehmens ist Chance und Heraus­for­derung zugleich. Nebst dem St. Galler Nachfolge-Modell, das als Rahmen­konzept unter­stützt, den Nachfol­ge­prozess struk­tu­riert und gleich­zeitig indivi­duell anzugehen, hat St. Galler Nachfolge auch die Formel „Wollen x Können x Dürfen“ entwickelt. Die Formel ermög­licht einen ganzheit­lichen Blick auf Erwar­tungen, Denkweisen und Stand­punkte jeder Partei und sie ermög­licht, Muster zwischen den Parteien greif­barer zu machen. Damit erhöht sich die Chance, Heraus­for­de­rungen erfolg­reich und konstruktiv zu überwinden. 

Eindi­men­sionale Sicht­weisen sind bei einem Nachfol­ge­prozess, der immer komplex und vielschichtig ist, wenig hilfreich und nicht zielführend – wir von St. Galler Nachfolge empfinden solche sogar als falsch. Um es plakativ zu beschreiben: es sind nicht einfach die Jungen, die nichts können oder die Alten, die nicht loslassen wollen. Oder anders formu­liert: es liegt nie nur an einer Partei, wenn der Prozess stockt oder es Heraus­for­de­rungen zu überwinden gilt.

Abb. 1: Der Nachfol­ge­prozess besteht aus verschie­denen Prozessen (i.A. Halter, Schröder 2022, S. 172)

Wenn die eine Generation der nächsten Generation das Unter­nehmen übergibt, dann bewegt man sich in einem Rahmen, in dem man inter­agiert und insofern auch vonein­ander abhängig ist. Das Verhalten von Menschen ist mitein­ander verknüpft, man reagiert aufein­ander, es spielen Muster und Dynamiken. Bei einer Unter­neh­mens­übergabe braucht es per se immer zwei Parteien. Und damit spielen auch diese Inter­ak­tionen. Am vielschich­tigsten und oft auch emotio­nalsten bei famili­en­in­ternen Übergaben. Weil da zusätzlich auch noch zwei Sozial­sy­steme invol­viert sind, die unter­schiedlich ticken: das des Unter­nehmens und das der Familie.

Mit der Formel „Wollen x Können x Dürfen“ hat St. Galler Nachfolge ein Hilfs­mittel entwickelt, das hilft, die Ausgangslage und Perspek­tiven jeder Partei bewusster zu machen und den indivi­du­ellen Entwick­lungs­prozess (siehe Abb. 1) bewusst zu gestalten. Es geht dabei darum, ob jede Partei die Fragen nach dem „Wollen-Können-Dürfen Übernehmen / Übergeben“ mit Ja beant­worten kann: ja, ich will – ja, ich kann – ja, ich darf. Nur auf dieser Basis ist es möglich, den Nachfol­ge­prozess überhaupt anzugehen und so zu gestalten, dass er nachhaltig erfolg­reich sein kann.

Was steckt nun aber hinter „wollen“, „können“ und „dürfen“ und zwar je unabhängig – aus Sicht der überge­benden Partei wie auch der überneh­menden Partei. Versuchen Sie die Fragen als Unter­neh­merin, als Unter­nehmer zu beant­worten (und nicht als Vater, Mutter, Tochter oder Sohn) und dabei immer mit Sicht auf das Unter­nehmen und was dieses braucht, um auch in der Zukunft erfolg­reich sein zu können.

Die Perspektive der übergebenden Generation – Verantwortung bewusst loslassen 

Für Übergeber steht häufig die Heraus­for­derung im Vorder­grund, sich von der Verant­wortung zu lösen, die sie jahrelang getragen haben. Wichtig sind hierbei drei wesent­liche Aspekte:

Wollen – Emotionale Bereit­schaft schaffen

Möchte ich meine Führungs- und Eigen­tü­mer­rolle wirklich abgeben? Wesent­liche Überle­gungen dabei sind das Bedürfnis, neue Impulse im Unter­nehmen zuzulassen sowie der Wunsch, mehr Zeit ausserhalb der Unter­neh­mens­führung zu verbringen. Emotional bedeutet dies, die eigene Identität nicht mehr ausschliesslich mit dem Unter­nehmen zu verbinden und bewusst Raum für Neues zu schaffen.

Können – Die organi­sa­to­rische Grundlage schaffen

Sind die organi­sa­to­ri­schen Voraus­set­zungen geschaffen, um Verant­wortung ab und die Fäden aus den Händen zu geben? Die Führungs­struk­turen müssen so etabliert sein, dass wesent­liche Prozesse ohne direkte Betei­ligung der überge­benden Generation funktio­nieren. Zudem sollten klare Regeln im Aktio­närs­bin­dungs­vertrag die zukünftige Rolle und eventuelle Einfluss­nahmen regeln. Entscheidend ist auch, Klarheit zu haben, mit welchen Berech­nungs­me­thoden ein fairer Preis für die Unter­neh­mens­an­teile gefunden wird, um wirtschaft­liche Stabi­lität zu gewähr­leisten. Zu diesem Faktor gehört auch, dass die private Vorsor­ge­si­tuation geklärt und der neue Lebens­ab­schnitt finan­ziell abgesi­chert ist. 

Dürfen – Vertrauen und Umfeld berücksichtigen

Ist mein Umfeld mit den geplanten Schritten einver­standen, und habe ich Vertrauen in die nachfol­gende Generation? Enge Bezugs­per­sonen, Familie, Partner und Mitar­bei­tende sollten hinter der Entscheidung stehen. Symbo­lische Schritte, wie etwa eine Überga­be­ze­re­monie oder eine gemeinsame Reise für danach können das Loslassen auf emotio­naler Ebene unter­stützen und schaffen Klarheit und Akzeptanz in den sozialen Beziehungen.

Die Perspektive der übernehmenden Generation – Verantwortung aktiv übernehmen

Für die nachfol­gende Generation bedeutet Unter­nehmens­nach­folge oft die Heraus­for­derung, Verant­wortung anzunehmen und unter­neh­me­ri­sches Denken aktiv umzusetzen. Auch hier zeigt sich das „Wollen x Können x Dürfen“-Modell als wertvolles Instrument:

Wollen – Die Vision und das Engagement stärken

Will ich diese Verant­wortung und habe ich eine klare Vision für das Unter­nehmen und für mich in dieser Rolle? Es ist entscheidend, einen starken Willen zum Gestalten und Verändern zu haben sowie die Bereit­schaft, Unter­neh­mens­in­ter­essen über persön­liche Bedürf­nisse zu stellen. Die Nachfol­ge­ge­neration sollte eine persön­liche Mission entwickeln, die sie nachhaltig motiviert und antreibt.

Können – Fähig­keiten und Kompe­tenzen entwickeln

Bin ich fachlich und persönlich bereit? Sich bewusst zu sein, was es an Kompe­tenzen und Fähig­keiten braucht, um wirksam zu führen (und sich selbst treu zu bleiben) sowie die Fähigkeit, Mitar­bei­tende auf gemeinsame Ziele auszu­richten und Mehrwert für das Unter­nehmen zu schaffen, sind essen­ziell. Es ist wichtig, eigene Stärken und Entwick­lungs­felder zu erkennen und persön­liche Kompe­tenzen gezielt weiter­zu­ent­wickeln. Auch finan­zielle und steuer­liche Aspekte rund um die Eigen­tums­über­nahme sollten klar sein. Die Fähigkeit, externe Finan­zie­rungs­mög­lich­keiten effektiv zu nutzen und das finan­zielle Risiko reali­stisch einzu­schätzen, spielt dabei eine zentrale Rolle.

Dürfen – Unter­stützung und Rückhalt sichern

Habe ich die Unter­stützung meines Umfelds, vor allem die Unter­stützung meiner Familie, mir wichtiger Bezugs­per­sonen sowie des bishe­rigen Eigen­tümers, der bishe­rigen Eigen­tü­merin? Es ist wichtig, das Vertrauen und Zutrauen der überge­benden Generation sowie der Mitar­bei­tenden zu spüren. Familiäre und partner­schaft­liche Rahmen­be­din­gungen sollten frühzeitig geklärt und auch in Verträgen festge­halten werden. Diese Klarheit verhindert später poten­zielle Konflikte und schafft eine stabile Grundlage für die erfolg­reiche Führung des Unternehmens.

Wollen x Können x Dürfen – ein logisches Ergebnis?

Wie lassen sich nun diese Überle­gungen von oben in der WKD-Formel abbilden, respektive was lässt sich daraus ableiten? Die Grund-Aussage der Formel lautet: es braucht sechs Ja-Antworten, damit die Grundlage für einen erfolg­reichen Nachfol­ge­prozess gegeben ist. Ein einziges Nein reicht aus und das Ergebnis ist forma­li­stisch gesprochen „Null“ und führt zu einem Nicht-Übergeben oder Nicht-Übernehmen und damit besteht fehlt auch die Grundlage für den Prozess der Nachfolge.

Abb. 2: Die WKD-Formel (i.A. Halter, Schröder 2022, S. 175)

Rechne­risch kann man sich das auch so vorstellen: Jeder der drei Faktoren wird mit 0 (überhaupt nicht erfüllt / vorhanden) bis 1 (voll erfüllt / vorhanden) bewertet. Das maximal erreichbare Ergebnis ist somit 1. Wird einer der Faktoren mit 0 „nicht erfüllt“ bewertet, dann wird das Ergebnis aus mathe­ma­ti­scher Sicht auch „0“ sein – selbst dann, wenn die anderen beiden Faktoren mit „voll erfüllt“ bewertet worden sind. Eine Nein-Antwort und damit Nuller-Bewertung kann nicht „kompen­siert“ werden. 

Wo stehen Sie aktuell? – So finden Sie es heraus

Um heraus­zu­finden, wo Sie als Übergeber:in oder Nachfolger:in aktuell beim Wollen, Können und Dürfen stehen, empfiehlt sich eine syste­ma­tische Selbst­re­flexion. Hilfreiche Fragen könnten sein:

Abb. 3: Hilfreiche Fragen zur Selbst­re­flexion (i.A. Halter, Schröder 2022, S. 176)

Nutzen Sie diese Fragen für Ihre persön­liche Reflexion, disku­tieren Sie Ihre Antworten mit Vertrau­ens­per­sonen oder arbeiten Sie mit einer profes­sio­nellen Sparring­part­nerin oder einem Sparring­partner, um den Prozess der Reflexion aktiv zu unter­stützen. Die Klarheit, die dadurch entsteht, bildet die beste Basis, um die Unter­nehmens­nach­folge nachhaltig erfolg­reich zu gestalten – zum Wohle und im Sinne Ihres Unter­nehmens und aller Beteiligten.

Mehr zum Thema

Auf unserer Plattform finden Sie weiter­füh­rende Unter­lagen rund um den Nachfol­ge­prozess. Im Zusam­menhang mit der WKD-Formel könnten für Sie folgende Inhalte inter­essant sein:

Im Download-Center stellen wir Ihnen weitere Unter­lagen und Arbeits­blätter kostenlos zur Verfügung. 

Das St. Galler Nachfolge-Modell als Buch

Die Abbil­dungen in diesem Blogbeitrag sind dem Buch “St. Galler Nachfolge-Modell” entnommen. Es ist im Jahr 2022 in seiner 5. und überar­bei­teten Auflage erschienen und kann als Hardcover (Buch) oder E‑Book gekauft werden. 

Fotonachweis: Shutter­stock | Abbil­dungen: St. Galler Nachfolge

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Andreas Salcher

Wenn Andreas Salcher KMU bei Nachfolgeprozessen begleitet, kommt seine ganze Erfahrung als Organisationsentwickler zum Tragen. Als Mediator unterstützt er KMU während Veränderungsprozessen auch bei Konflikten. Vor seinem Engagement als Nachfolgeexperte war Andreas Salcher lange in der Bankenbranche tätig, auch dort mit dem Fokus KMU.

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