Blog 18: Wie der Führungswechsel gut gelingt.

Wenn der neue Chef die bisherige Chefin ablöst, dieser Prozess (die sog. Führungs­nach­folge) gehört zu den wichtigsten Prozessen während eines Nachfol­ge­pro­zesses und sollte deutlich vor der Eigen­tums­nach­folge angepackt werden. Denn: Führungs­nach­folge braucht Zeit. Und: wenn es bei der Führungs­nach­folge holpert, könnte das Tages­ge­schäft ins Stottern kommen. Das möchte kein KMU. Die St. Galler Nachfolge-Praxis stellt Werkzeuge und Ansätze vor, wie die Führungs­nach­folge wirkungsvoll gestaltet werden kann. 

Indem man das Eigentum überträgt, ist eine Unternehmens­nach­folge im KMU-Kontext in der Regel nicht abgeschlossen. Für den Erfolg einer Unternehmens­nach­folge ist vor allem eine gut gestaltete und gelungene Führungs­nach­folge wichtig. Entscheidend ist dabei die Frage, welcher Sessel von wem neu besetzt werden soll, wie ein neuer Chef oder eine neue Chefin ihre Rolle versteht, diese ausüben möchte und wie die Übergabe all dieser Verant­wort­lich­keiten gestaltet werden soll. 

Hat man diese Fragen beant­wortet und gemeinsame Nenner gefunden, dann geht es ab ins gemeinsame Training, damit die guten Absichten auch im Alltag nachhaltig greifen. Tönt logisch, ist aber gar nicht immer so einfach — schauen wir mal genauer hin. 

Intuitives Verständnis: Chance und Krux zugleich

In KMU entwickeln sich Struk­turen, Verhal­tens­muster und Entschei­dungswege oft über die Zeit hinweg, sozusagen organisch, parallel zur Entwicklung der Firma. Struk­turen sind histo­risch gewachsen und das funktio­niert in der Regel auch ganz gut (oder man hinter­fragt es nicht, weil es gelebte Realität ist), zumindest solange Schlüs­sel­per­sonen und invol­vierte Schlüs­sel­per­sonen die Gleichen bleiben. Oft ist es so, dass alle aus Erfahrung wissen, wie es läuft, wie jemand tickt oder wie entschieden wird, aber niemand hat sich je bewusst Gedanken dazu gemacht, wer was in welcher Rolle tut. 

Dieses intuitive Verständnis kann bei einem Verän­de­rungs­prozess zur Heraus­for­derung werden. Insbe­sondere bei der Führungs­nach­folge — wenn sich plötzlich Rollen und Verant­wort­lich­keiten überschneiden und bei der überge­benden und überneh­menden Generation mögli­cher­weise eine unter­schied­liche Haltung da ist, wie diese Rollen ausge­füllt werden sollen.

Wenn es bei der Führungs­nach­folge holpert, geht es fast immer darum, dass nicht recht klar ist, wer denn nun welche Rolle wie ausfüllen soll und darf und was das nun für den Entschei­dungs­prozess im Alltag bedeutet.

Frank Halter, Nachfol­ge­ex­perte St. Galler Nachfolge

Hier setzt das St. Galler Nachfolge-Modell an: die Basis für eine gut gestaltete Führungs­nach­folge ist Klarheit und Bewusstsein für die verschie­denen Ebenen, auf denen man sich während einer Nachfolge bewegt und die unter­schied­lichen Rollen, die es wahrzu­nehmen gilt. Was heisst das nun?

Klarheit und Bewusstsein als Schlüssel

In einem ersten Schritt unter­scheidet das St. Galler Nachfolge-Modell zwischen Führungs‑, Eigentums- und Vermö­gens­nach­folge (mehr dazu im Gespräch mit Frank Halter, Nachfol­ge­ex­perte St. Galler Nachfolge). Jede Ebene der Nachfolge sollte eigen­ständig beleuchtet werden, mit den Aspekten, die relevant sind und unter den gegebenen Rahmenbedingungen.

Im Kontext der Führungs­nach­folge (und auch sonst) macht es zudem Sinn, sich bewusst zu sein, dass es verschiedene Führungs­ebenen gibt (Stichwort: Gover­nance). Im KMU-Kontext unter­scheiden wir drei Ebenen: 

  • die Ebene des Eigentums (wer besitzt z.B. die Aktien, wer besitzt die Firma)
  • die Ebene der strate­gi­schen Verant­wortung (wer entscheidet über die Strategie und die Zukunft der Firma)
  • die Ebene der opera­tiven Verant­wortung (Tages­ge­schäft, Kunden, Personal, Marketing, etc.)
Abb. 1: Führungs­struktur im KMU-Kontext (Halter, Schröder 2019, S. 147)

Im Rahmen der Führungs­nach­folge geht es darum, ein gemein­sames Bild der aktuellen Verant­wort­lich­keiten und der im Unter­nehmen tätigen Schlüs­sel­per­sonen zu erhalten.

Dieser Ist-Zustand dient als Ausgangslage, um sich Überle­gungen zu machen zu Rollen und Aufgaben über die Zeit hinweg. Fragen können sein: Welche Schlüs­sel­person wird bis wann in dieser oder jener Funktion bleiben? Wessen Nachfolge muss geregelt werden? Durch wen? Erfüllt die vorge­sehene Person schon die Anfor­de­rungen oder braucht es hier eine Aus- oder Weiter­bildung? In welchem Zeitraum soll dieses Know-how erworben werden?

Governance- und Führungsrollen

Das Bewusstsein für die verschie­denen Führungs­ebenen und den damit verbun­denen Gover­nance- und Führungs­rollen ist eine wichtige Voraus­setzung, um die Führungs­nach­folge aktiv und erfolg­reich zu gestalten (mehr dazu auch im Gespräch mit Claudia Buchmann, Nachfol­ge­ex­pertin St. Galler Nachfolge). 

Das Bewusstsein, aus welcher Rolle heraus jemand agiert und kommu­ni­ziert (z.B. als Inhaber oder als Vater, als Mitglied der Geschäfts­leitung oder als Tochter), kann entscheidend sein, wie die Inter­aktion verläuft, konstruktiv oder konfliktbehaftet. 

In einem ersten Schritt braucht es das Bewusstsein für die Ebenen und Rollen. Und dann geht es ans Umlernen, Umdenken, Trainieren. Das braucht Zeit, Geduld und gegen­seitige Toleranz.

Claudia Buchmann, Nachfol­ge­ex­pertin St. Galler Nachfolge

Rollen­klarheit ist damit ein erster Schritt im Prozess. In einem zweiten Schritt sollte man darüber nachdenken, welche Erwar­tungen und Bedürf­nisse man selbst mit seiner momen­tanen Rolle verknüpft und inwiefern diese zu den Erwar­tungen und Bedürf­nissen einer anderen Rolle in Beziehung stehen. Wem es hier gelingt, Klarheit zu schaffen (auch gegen­seitig), der gerät in der Regel weniger oft in unbewusste innere Rollen­kon­flikte (hilfreich dazu: unser Arbeits­mittel zu Gover­nance-Rollen und Führungs­ver­halten).

Abb. 2: Mögliche Führungsrollen

Wer weiss, wie er oder sie tickt, kann den Prozess der Führungs­nach­folge bewusster gestalten (mehr dazu im Gespräch mit Lisa Benz, Expertin KMU Führung), persön­liche Stärken gezielter einsetzen und — sofern das gewünscht ist — ein Führungsteam bilden, das die ganze Bandbreite an gewünschten und gefor­derten Kompe­tenzen abdeckt. Jede Person kann auf den verschie­denen Ebenen unter­schied­liche Rollen einnehmen. Diese können je nach Situation auch wechseln, durchaus auch mehrmals am Tag.

Heute wird es zunehmend schwierig, dass sich alle Führungs­auf­gaben in einer Person vereinen. Das eröffnet neue Möglich­keiten und auch Chancen bei der Gestaltung der Führungsnachfolge.

Lisa Benz, Expertin KMU Führung

Wer die Führungs­nach­folge mit der neuen Generation vielleicht neu gestalten und aufstellen möchte, für den könnte das Modell mit den verschie­denen Führungs­rollen ein spannender Ansatz sein. Es unter­scheidet in vier Haupt­rollen: Leader (mit Fokus Sinn, Nutzen, Vision, Mission), Experte (Fokus: Fachwissen), Manager (Fokus: opera­tives Tages­ge­schäft), Entwickler (Fokus: Weiter­ent­wicklung von Mitar­bei­tenden). Mehr dazu können Sie in der Schrift zur KMU Führungs­nach­folge nachlesen oder erfahren Sie im Gespräch mit Lisa Benz, Leiterin Bereich Weiter­bildung am Institut für KMU und Unter­neh­mertum der Univer­sität St. Gallen.

In aller Kürze

Das oberste Ziel einer gelun­genen Nachfolge in KMU muss sein, dass der «Unter­nehmens-Motor» während und nach dem Prozess der Nachfolge nicht ins Stocken gerät. Das Unter­nehmen sollte seine Leistungs- und Entwick­lungs­fä­higkeit jederzeit beibehalten.

Der Prozess der Führungs­nach­folge ist anspruchsvoll und komplex. Insbe­sondere dann, wenn die überneh­mende und die überge­bende Generation noch eine gewisse Zeit gleich­zeitig im Unter­nehmen tätig sind. Die höchste Komple­xität haben in der Regel famili­en­in­terne Nachfolgen, weil sich dort noch die zwei Sozial­sy­steme “Familie” und “Unter­nehmen” vermischen.

Damit Führungs­nach­folge möglichst gut gelingt, muss ein Bewusstsein geschaffen werden für die verschie­denen Führungs­ebenen, die es gibt sowie für die Führungs- und Governancerollen.

Das ist ein inten­siver und zugleich spannender Prozess, für den genügend Zeit einge­plant werden sollte. Zu früh, so Frank Halter, kann man nicht damit beginnen, sich mit der Führungs­nach­folge auseinanderzusetzen.

Für alle, die sich vertieft mit der Führungs­nach­folge ausein­an­der­setzen möchten, haben wir spannende Unter­lagen aufbe­reitet und Videos produziert:

Im Download-Center finden Sie zudem unter dem Schlagwort “Gover­nance” ergän­zende Arbeitsblätter.

Fotonachweis: Shutter­stock | Abbil­dungen: © St. Galler Nachfolge.

Litera­tur­hinweis: Halter, Frank; Schröder, Ralf (2019): Das St.Galler Nachfolge-Modell. 4. und vollständig überar­beitete Auflage. Haupt Verlag. Bern.

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Monika Waldburger

Monika Waldburger ist in einem Familienunternehmen aufgewachsen, kennt die Welt der KMU und weiss, wie komplex und vielfältig ein Nachfolgeprozess sein kann. Sie ist Master Coach und Kommunikationsexpertin. Als Sparringpartnerin begleitet und berät sie Menschen, Teams und KMU bei Erkenntnis-, Veränderungs- und Transformationsprozessen.

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