Blog 20: Weshalb die Hüte bei der Führungsnachfolge so wichtig sind

In der imagi­nären Garderobe einer Unter­neh­mer­per­sön­lichkeit hängen viele Hüte. Hüte, die nachein­ander und manchmal sogar überein­ander gestülpt, getragen werden. Bewusst geschieht das meistens nicht, in der Regel tragen Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer ihre Hüte intuitiv und füllen die einzelnen Rollen aus, in die sie über die Zeit hinein­ge­wachsen sind. Seine Hüte zu kennen und sie bewusst zu tragen (oder in der Garderobe hängen zu lassen) ist elementar. Was wir damit meinen und was wir im Kontext der Unternehmens­nach­folge unter diesen Hüten verstehen, davon handelt dieser Text.

Wie viele Hüte hängen bei Ihnen in der Garderobe? Seine Hüte zu kennen und sie bewusst zu tragen, bedeutet, dass man Klarheit hat in Bezug auf die eigene Rolle. In dieser Klarheit liegt viel Kraft. Sie ist eine elementare Voraus­setzung für gelin­gende Prozesse, z.B. dann, wenn es darum geht, die Führung der nächsten Generation zu übergeben.

Wenn ein “Genera­tio­nen­wechsel” ansteht, können während dem Prozess viele Themen zu Stolper­steinen werden. Je nachdem, wie man damit umgeht, entstehen Schwie­rig­keiten oder es eröffnen sich Chancen. Gerade in schwie­rigen Momenten kann Rollen­klarheit und das bewusste Tragen seines Hutes dazu beitragen, dass nicht ein Konflikt entsteht. 

Im Kontext der Unternehmens­nach­folge unter­scheiden wir Gover­nance- und Führungs­rollen.

Wenn Generationen zusammenarbeiten

KMU reali­sieren meist familien- oder firmen­in­terne Nachfol­ge­lö­sungen, die Fachbe­griffe dafür sind FBO (famili­en­in­terne Nachfolge) und MBO (firmen­in­terne Nachfolge). Bei einem FBO und MBO wird in der Regel zuerst die Führungs­nach­folge angegangen, bevor später das Thema Eigen­tums­nach­folge angepackt wird. Dadurch arbeiten die überge­bende und die überneh­mende Generation meist mehrere Jahre gemeinsam im Unternehmen.

Diese genera­tio­nen­über­grei­fende Zusam­men­arbeit bedeutet, dass langjährig eingeübte und verin­ner­lichte Rollen verändert (überge­bende Generation) und neue Rollen angemessen einge­nommen (überneh­mende Generation) werden müssen. Dieser Prozess ist für alle Betei­ligten spannend und kann eine grosse Heraus­for­derung sein, weil Muster, die über viele Jahre (oft intuitiv und unbewusst) gelebt worden sind, aktiv und bewusst verändert werden (müssen).

Damit dieser wichtige Verän­de­rungs­prozess gelingt, braucht es das Bewusstsein für die verschie­denen Rollen entlang der Gover­nance-Struktur des Unter­nehmens. Dabei unter­scheiden wir drei Verantwortungsstufen: 

  • die Verant­wortung als Eigen­tümer oder als Eigentümerin,
  • die strate­gische Verant­wortung und
  • die operative Verantwortung.
Abb. 1: Business-Governance

Viele Unternehmer:innen, welche ihr KMU über viele Jahre mehrheitlich alleine an der Spitze geführt haben, sind sich oft nicht bewusst, dass sie viele Entschei­dungen in Perso­nal­union als Eigentümer:in, Verwal­tungsrat oder Verwal­tungs­rätin und als Geschäftsführer:in gefällt haben. Das heisst, sie nehmen drei Rollen gleich­zeitig wahr. 

Diese drei Rollen zu unter­scheiden war in der Vergan­genheit auch nicht unbedingt notwendig, denn eines wussten diese Unternehmer:innen ganz klar: Sie sind auf diese Weise schnell und effizient. Diese schlanken Struk­turen und kurzen Entschei­dungswege machen ja auch einen Teil der Attrak­ti­vität von KMU aus. 

Governance-Rollen schaffen Klarheit beim Übergang

Wenn nun der Genera­tio­nen­wechsel ansteht, muss die Perso­nal­union überdacht und diese Verhal­tens­weisen angepasst werden. Wenn nun der Sohn, die Tochter und/oder ein Mitar­beiter oder eine Mitar­bei­terin im Rahmen der Führungs­nach­folge die Geschäfts­führung vom Firmen­in­haber übernimmt, dann sind auf den drei Ebenen “Eigentum”, “strate­gische Verant­wortung” und “operative Verant­wortung” neu mehr als eine Person beteiligt. Das bedeutet, dass sich Schnitt­stellen ergeben, die gemeinsam geklärt, besprochen und vor allem bewusst gemacht werden müssen. Nur so kann gewähr­leistet werden, dass man den Übergang der bishe­rigen Führungs­ge­neration zu den neuen Chefs und Chefinnen aktiv und gut gestalten kann.

Die neue Ausge­staltung dieser Rollen ist “in der Theorie” einfacher als im Alltag. Vor allem zu Beginn braucht es ein bewusstes “Verlernen” der alten Muster und ein “Einüben” der neuen Verhaltensweisen.

Claudia Buchmann, Nachfol­ge­ex­pertin St. Galler Nachfolge

Das Bewusstsein für die unter­schied­lichen Rollen schafft Klarheit. Und diese braucht es beispiels­weise, wenn es darum geht:

  • wer auf welcher Stufe was zu entscheiden hat
  • und wer wen worüber informiert. 

Wenn es um das operative Tages­ge­schäft geht, liegt die Verant­wortung bei der neuen Geschäfts­leitung. Aufgaben und Verant­wort­lich­keiten, die dazu gehören, sind:

  • die Führung der Geschäftsleitungsmitglieder,
  • Perso­nal­ent­scheide,
  • die Umsetzung der Marketingstrategie
  • u.v.m.

Beispiel aus der Praxis

Machen wir ein konkretes Beispiel: Nehmen wir an, Ihr KMU benötigt mehr Platz für die Produktion und es muss eine neue Halle gebaut werden. Der Neubau dieser neuen Halle ist ein Bedürfnis, das aus dem opera­tiven Tages­ge­schäft heraus entsteht. Dass es diesen Neubau braucht, das kann von der opera­tiven Geschäfts­leitung beim Verwal­tungsrat angeregt werden. Als verant­wort­liches Gremium für die Strategie entscheidet der Verwal­tungsrat darüber, ob die Halle gebaut wird oder nicht.

Sollte die Halle gebaut werden, so liegt die Führung der Projekt­planung bei der Geschäfts­leitung, die den Verwal­tungsrat regel­mässig über den Fortschritt des Bauvor­habens orien­tiert. Der Entscheid des Verwal­tungsrats wiederum nimmt auf die Eigner-Strategie Bezug, die auf der Eigen­tümer-Ebene vorge­zeichnet wird. Diese umfasst beispiels­weise Aussagen zur Wachs­tums­stra­tegie und zu finan­zi­ellen Zielsetzungen. 

Unsere Erfahrung in der Praxis zeigt, dass die neue Ausge­staltung dieser Rollen “in der Theorie” einfacher ist als im Alltag. Vor allem zu Beginn braucht es ein bewusstes “Verlernen” der alten Muster und ein “Einüben” der neuen Verhal­tens­weisen. Wenn dies nicht auf Anhieb klappt, braucht es gegen­seitige Toleranz und klärende Gespräche, damit das Bewusstsein für die neuen Rollen weiter geschärft wird. Hier gilt wie oft im Leben: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und auch keine Meisterin.

Rollen bestimmen auch die Führungsarbeit

Jede Führungs­person kennt das: Führung ist ungleich Führung, denn Führungs­arbeit beinhaltet unter­schied­liche Aufgaben, findet in unter­schied­lichen Zusam­men­set­zungen statt, verfolgt unter­schied­liche Ziele. Wir können also auch im Zusam­menhang von Führungs­arbeit von Rollen sprechen. Und auch dort schafft Rollen­klarheit Mehrwert.

Abbildung 2: Führungsrollen

In der Praxis arbeite ich gerne mit einem Modell, das folgende vier Typen von Führungs­rollen unterscheidet:

  • Leader
  • Experte
  • Manager
  • Entwickler

Je nachdem, was mit der Führungs­arbeit erreicht werden soll, sind andere Aufgaben mit dieser Zieler­rei­chung verbunden. Dies wiederum geht mit unter­schied­lichen Rollen einher.

Als “Leader” vermittelt eine Führungs­person Sinn und Nutzen der zu erledi­genden Arbeit. Damit fördert sie beispiels­weise das Verständnis für die Zusam­men­hänge und Wirkme­cha­nismen zwischen einzelnen Abtei­lungen. Im besten Fall schafft sie auf diese Weise ein “Wir-Gefühl”, damit alle am gleichen Strang ziehen. Das Fachwissen als “Experte” legiti­miert viele Unternehmer:innen für ihre Rolle an der Spitze eines KMU. Ihre Erfahrung im Beruf und in der Branche ist intern wie extern von grosser Relevanz. Schauen, dass das operative Tages­ge­schäft läuft – da sind die Quali­täten eines “Managers” gefragt. Reibungslose Abläufe und Effizienz sind hier wichtige Faktoren. In der Rolle als “Entwickler” erkennt die Führungs­person das Potenzial ihrer Mitar­bei­tenden und fördert sie weiter in ihrer Kompetenz, damit das Unter­nehmen nicht nur mit den heutigen Heraus­for­de­rungen umgehen, sondern die zukünf­tigen Heraus­for­de­rungen für sich nutzen kann.

Diese vier Rollen lassen sich nicht scharf trennen, sondern spielen inein­ander. Eine Führungs­person kann – je nach Situation und Gegenüber – die unter­schied­lichen Rollen einnehmen. Das ist sehr anspruchsvoll, deshalb sehen wir in der Praxis oft, dass Führungs­per­sonen Präfe­renzen haben, d.h. die eine oder andere Rolle vermehrt einnehmen.

Auch den Führungswandel bewusst gestalten

Ziel des Modells ist es also, dass eine Führungs­person ihre Stärken und Vorlieben zum Nutzen der Firma einsetzen kann und das Führungsteam allen­falls mit Personen ergänzt, die Bereiche engagiert abdecken, die man selber nicht gleich gut bedienen kann.

In Führungs­teams, die wir immer öfter sehen, gibt es die Möglichkeit, dass die Einzelnen sich auf bestimmte Rollen fokus­sieren und einander gut ergänzen.

Lisa Benz, Expertin KMU Führung

Im Kontext des Genera­tio­nen­wechsels lohnt es sich, dass sich die überge­bende und die überneh­mende Generation einer­seits bewusst überlegen, wer welche Präfe­renzen hat. Anderer­seits ist auch die Frage relevant, welche Heraus­for­de­rungen im Unter­nehmen künftig anstehen und welche Rollen für die erfolg­reiche Zukunfts­ge­staltung besonders dienlich resp. erfor­derlich sind.

Der Genera­tio­nen­wechsel als Verän­de­rungs­prozess bietet die Möglichkeit zu gestalten. Wer sich bewusst mit den Fragen oben ausein­an­der­setzt, erhält die Möglichkeit, den Wandel bewusst zu gestalten, sodass alle profi­tieren: die invol­vierten Personen und auch das Unternehmen.

Der Sohn oder die Tochter muss ja nicht dieselbe Rolle einnehmen, die der Vater über viele Jahre bevor­zugte. Auch für die überge­bende Generation ergibt sich die Chance, sich bewusst zu fragen, ob denn in der Phase der genera­tio­nen­über­grei­fenden Zusam­men­arbeit noch eine andere Führungs­rolle stärker zum Zug kommen sollte. Wir sehen viele Senior-Unter­nehmer, die in dieser Phase gerne die Rolle des Entwicklers und Mentors übernehmen. 

Dialog und Reflexion als Basis

Meine Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass das Bewusstsein der eigene(n) Rolle(n) – im Kontext der verschie­denen Verant­wor­tungs­stufen (Gover­nance) und in der Führung grosse Klarheit schafft: in der Zusam­men­arbeit und in der Kommunikation. 

Das fällt in der Regel niemandem in den Schoss. Es braucht daher Refle­xi­ons­be­reit­schaft und Dialog­fä­higkeit. Dazu gehört auch der Wille, gemeinsam, genera­tio­nen­über­greifend Neues zu lernen, einzuüben und mit “Fehlern” konstruktiv umzugehen. Toleranz, eine Prise Humor und das Verfolgen des gemein­samen Ziels “gelin­gender Genera­tio­nen­wechsel” sind weitere Zutaten für den Umgang mit Rollen.

Mehr zum Thema “Führungsnachfolge”

Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “Führungs­nach­folge” ausein­an­der­setzen möchten, haben wir spannende Inhalte aufbereitet:

Im Download-Center finden Sie zudem unter dem Schlagwort “Gover­nance” ergän­zende Arbeitsblätter.

Fotonachweis: Shutter­stock | Abbil­dungen: © St. Galler Nachfolge

Picture of Claudia Buchmann

Claudia Buchmann

Menschen und Unternehmen im Rahmen von Nachfolgeprozessen in ihrer (Weiter-) Entwicklung zu begleiten, das ist die grosse Passion von Claudia Buchmann. Als langjährige Unternehmerin weiss sie, was unternehmerisches Denken und Handeln in Veränderungsprozessen bedeutet: ein grosses Stück Arbeit und ein freudiges Feiern von Erfolgen.

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