Blog 49 | Win-Win-Win: weshalb es bei der Unternehmensnachfolge nur Gewinner:innen geben sollte

Wenn der Prozess der Unter­nehmens­nach­folge zu Ende ist, sollten drei Parteien als Gewin­ne­rinnen dastehen. Die Verkäu­fer­partei, die Käufer­partei und am aller­wich­tigsten: das Unter­nehmen selbst. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es Beratungs­per­sonen, die den Prozess allpar­teilich begleiten – eine Haltung, die nicht überall selbst­ver­ständlich ist. Das zeigt eine kritische Beobachtung des Marktes. In diesem Blogbeitrag teilt Frank Halter seine persön­lichen Gedanken dazu und was für ihn unver­zichtbar ist, wenn Fachper­sonen, Nachfol­ge­pro­zesse begleiten.

Das Thema Unter­nehmens­nach­folge ist omnipräsent und hat eine erheb­liche volks­wirt­schaft­liche Bedeutung. Aktuelle Studien besagen, dass fast 100’000 Unter­nehmen in den nächsten fünf Jahren dringend die Nachfolge regeln müssen. Gelingt das nicht, droht der Verlust von Know-how, Steuer­ein­nahmen und von rund einer halben Million Arbeitsplätze.

Nach wie vor wird ein Grossteil der Nachfolgen famili­en­intern (FBO) oder unter­neh­mens­intern (MBO) gestaltet. Etwa ein Drittel der Unter­nehmen wird aktuell an externe Dritt­par­teien verkauft (MBI oder M&A). Jeder dieser Prozesse hat seine eigenen Heraus­for­de­rungen – der Bedarf an kompe­tenten Nachfolgeberater:innen ist folglich gegeben. Das ist spür- und sichtbar: viele versuchen, sich in diesem Markt zu positionieren. 

Wir Beratungs­per­sonen müssen den Prozess jederzeit allpar­teilich führen, mit der Absicht, uns irgendwann überflüssig zu machen.

Ein Nachfol­ge­prozess ist indivi­duell und komplex und ich erachte es als wichtig, dass ein solch tiefgrei­fender Verän­de­rungs­prozess von einer erfah­renen Person oder Perso­nen­gruppe begleitet wird. Die Motivation einer Beraterin oder eines Beraters sollte aber nicht das schnelle oder grosse Geld sein. Ziel sollte immer sein, dass es am Ende einer Unter­nehmens­nach­folge drei Parteien gibt, die gewinnen – dann ist die Nachfolge gelungen. Die Haltung von uns Beratungs­per­sonen ist dabei entscheidend: wir müssen diesen Prozess jederzeit allpar­teilich führen, mit der Absicht, uns irgendwann überflüssig zu machen.

Beratung und Unternehmertum – eine Frage der Haltung

Damit ist auch meine Grund­haltung trans­parent: die Rolle einer Beraterin oder eines Beraters muss die einer Enablerin oder eines Enablers sein, welche ihre Kundinnen und Kunden im Verlaufe des Prozesses befähigt, um sich selbst als Berater:in am Ende überflüssig zu machen. Damit will ich nicht sagen, dass eine Beratungs­person während dem Prozess der Nachfolge aussteigen sollte. Die Aussage ist vielmehr, dass die Beraterin trans­parent ist, Wissen teilt, zur Reflexion anregt, Mitdenken einfordert, die Parteien mitein­be­zieht und aktiv einlädt, mitzu­ge­stalten. Dies alles – und dies meine zweite Überzeugung – tut die Beratungs­person allpar­teilich. Das heisst, sie stellt sich in den Dienst der Sache und damit in den Dienst des Unter­nehmens. Mit dem Ziel, dass am Ende alle die Nachfol­ge­lösung aus Überzeugung mittragen und sie so ausge­staltet ist, dass die Zukunft des Unter­nehmens gesichert ist. 

Sich in den Dienst der Sache zu stellen und damit das Unter­nehmen in den Fokus zu rücken, diese Grund­haltung sollten sowohl Beratungs­per­sonen wir auch Unternehmer:innen verinnerlichen.

Das, was für Beratungs­per­sonen gilt, gilt meines Erachtens auch für unter­neh­me­rische Persön­lich­keiten. Mein persön­liches Verständnis von Unter­neh­mertum ist, dass sich eine Unter­neh­merin oder ein Unter­nehmer nachhaltig in den Dienst der Sache und damit des Unter­nehmens stellt. Ganz wichtig: Damit meine ich nicht, dass eine Unter­neh­merin oder ein Unter­nehmer nichts verdienen soll. Gute Leistung soll honoriert werden. Ich erachte es aber als wichtig, dass ein poten­zi­eller Nachfolger / Käufer unter­neh­me­risch motiviert ist für die Nachfolge und nicht beim Einstieg bereits als primäres Ziel verfolgt, das Unter­nehmen als Vehikel für die schnelle Geldver­mehrung zu benutzen (Stichwort: Equity-Mutliple / Eigen­ka­pi­tal­mul­ti­pli­kator), um möglichst steuerfrei Kapital zu generieren. Mit einer solchen Einstellung habe ich Mühe.

Für mich ist eine Nachfol­ge­lösung dann gut und gelungen, wenn es zum Zeitpunkt der Unter­schrift (und auch einige Jahre später) drei Parteien gibt, die Gewin­ne­rinnen sind. Das Motto muss lauten: WIN – WIN – WIN.

In der Praxis beobachte ich, dass solche Fälle, bei denen es um das schnelle Geld und nicht um das unter­neh­me­rische Wirken geht, zunehmen. Ich stelle mir deshalb auch wieder vermehrt die Frage: Was ist ein gute Nachfol­ge­lösung? Und die Antwort bleibt für mich: eine Nachfol­ge­lösung ist dann gut und gelungen, wenn am Ende Verkäu­fer­partei, Käufer­partei und das Unter­nehmen als Gewin­ne­rinnen dastehen und das nachhaltig, also auch noch einige Jahre später.

Drei Parteien sollten gewinnen – und das nachhaltig

Bei der Nachfolge sind immer drei Parteien invol­viert: die Partei, welche verkauft und übergibt. Die Partei, die kauft und übernimmt. Und das Unter­nehmen, für das die Nachfolge geregelt wird. Wer hat nun welche Inter­essen und was bedeutet das für den Nachfolgeprozess? 

Abb. 01: Bei einer Unter­nehmens-Übertragung sollten drei Parteien gewinnen.

Ein Verkäufer oder eine Verkäu­ferin hat persön­liche, legitime Inter­essen. Die Person hat viele Jahre in das Unter­nehmen investiert und mit hoher Wahrschein­lichkeit viele Höhen und Tiefen erlebt und durchlebt. Das hinter­lässt Spuren und Emotionen, sowohl positive wie auch negative. Das Unter­nehmen hat als Folge davon für einen Unter­nehmer oder eine Unter­neh­merin auch einen “emotio­nalen Wert”. Ein Verkäufer fühlt sich dann als Gewinner, wenn sein Nutzen aus der Nachfolge hoch ist. Dies bedeutet aber nicht – und das ist immer wieder der Irrglaube von Ratio­nal­öko­nom­innen und ‑ökonomen  –, dass nur die Maximierung des Verkaufs­preises im Zentrum steht. Auch ein unter­prei­siger Verkauf kann als Nutzen empfunden werden und die Verkäu­ferin zu einer gefühlten Gewin­nerin werden lassen. Die Voraus­setzung dafür ist, dass einige Bedin­gungen eingelöst sind (wer sich dazu vertiefen möchte, findet Ausfüh­rungen in der Schrift Nr. 08: “KMU Nachfolge und der emotionale Wert”.) 

Auch ein unter­prei­siger Verkauf kann als Nutzen empfunden werden und die Verkäu­ferin zu einer gefühlten Gewin­nerin werden lassen.

Auch ein Käufer oder eine Käuferin hat eigene, legitime Inter­essen. Sicherlich will die Käufer­partei nicht zu viel bezahlen. Chancen und Risiken werden abgewogen (klassische Rendite-/Risi­ko­über­legung). Auch hier gibt es hohen Renditen nur mit steigenden Risiken. Oft ist es am Schluss das Vertrauen, die innere Überzeu­gungs­kraft, eine Identi­fi­kation mit Menschen und/oder Produkten und viele andere Emotionen, die den Ausschlag geben können, ob man ein Unter­nehmen fortführen möchte und insofern auch die Verant­wortung für das Fortschreiben seiner Geschichte übernimmt. Ausschliesslich finan­zielle Anreize sind es zum Glück selten, welche poten­zielle Nachfolger:innen bewegen, ein Unter­nehmen zu übernehmen – das beobachten wir auch in der Praxis. Finan­zielle Aspekte müssen beim Unter­neh­menskauf gut durch­dacht sein. Wer ein Unter­nehmen kauft, investiert sich und muss dafür im Hier und Heute üblicher­weise auch einen Konsum­ver­zicht leisten.

Gerade im Verhand­lungs­prozess zwischen Käufer- und Verkäu­fer­partei sollte meines Erachtens das Unter­nehmen selbst ins Zentrum gestellt werden.

Wie finden sich denn nun Verkäufer:in und Käufer:in? Sie finden sich, indem sie verhandeln. Und am Schluss des Prozesses werden sie entweder handels­einig oder nicht. Dieser Verhand­lungs­prozess ist ein sensibles Momentum. Wenn jetzt Beratungs­per­sonen Partei ergreifen und alle Argumente ins Feld führen, warum der Preis höher oder tiefer ausfallen sollte, dann befinden wir uns späte­stens jetzt in einem reinen Trans­ak­ti­ons­ge­schäft und die Wahrschein­lichkeit, dass eine Nachfol­ge­lösung gelingt, welche Win-Win-Win ist für alle drei Parteien, wird sehr schnell sehr klein.

Vergessen geht nämlich gerade jetzt das Unter­nehmen selbst! Wer vertritt die Inter­essen des Unter­nehmens, wenn plötzlich nur noch die indivi­du­ellen Inter­essen einer Partei ins Zentrum gestellt werden? Es greift zu kurz, wenn nur die beiden Haupt­prot­ago­nisten Käufer und Verkäufer ins Zentrum gestellt werden. Meines Erachtens sollte das Unter­nehmen selbst ins Zentrum gestellt werden. Und das sicher­zu­stellen, ist die Aufgabe einer allpar­tei­lichen Prozessbegleiter:in oder Nachfolgeberater:in.

Während dem Verhand­lungs­prozess muss sicher­ge­stellt werden, dass Ersatz­in­ve­sti­tionen, Neuin­ve­sti­tionen, Weiter­ent­wick­lungen, Mitar­bei­ter­ent­wicklung, Organi­sa­ti­ons­ent­wicklung, Markt­ent­wicklung und vieles mehr für das Unter­nehmen möglich ist und bleibt – und zwar langfristig. Das Unter­nehmen als «Motor» muss stetig weiter­ent­wickelt werden und das Benzin dafür heisst Free-Cash-Flow. Dem Unter­nehmen müssen am Ende einer Periode genügend finan­zielle Mittel zur freien Verfügung stehen, um diese Investi­tionen tätigen zu können. Die Rechnung darf nie ohne den Wirt (im biolo­gi­schen Sinne) gemacht werden! Das Unter­nehmen, an welchem letzt­endlich alles hängt, muss im Nachfol­ge­prozess auch seine Stimme haben und meines Erachtens die (ge)wichtigste. 

Vorsicht und Weitsicht bei der Nachfolge

Was ist nun also eine gelungene Nachfolge? In meinem Verständnis ist die Nachfolge noch nicht gelungen zum Zeitpunkt, wenn man sich handels­einig geworden ist und die Verträge frisch unter­schrieben sind. Dieser Zeitpunkt ist natürlich ein sehr wichtiger Meilen­stein, muss aber nichts aussagen über die Qualität der Nachfol­ge­lösung. Das Ziel muss sein, dass auch im Nachgang zur Nachfolge, also drei oder vier Jahre nach der Vertrags­un­ter­zeichnung alle drei Parteien mit einem guten Gewissen und positiven Gefühlen sagen können: Ich fühle mich als Gewinner:in, so wie die anderen beiden Parteien auch. Respektive dem Unter­nehmen geht es wirtschaftlich gut und für Käufer- und Verkäu­fer­partei stimmt die Nachfol­ge­lösung nach wie vor. Für den Nachfol­ge­prozess bedeutet das, dass jederzeit Verkäufer:in, Käufer:in UND das Unter­nehmen zu Wort kommen und berück­sichtigt werden müssen, sodass es am Ende heissen kann: WIN – WIN – WIN. 

In diesem Sinne gilt es mit Vorsicht und Weitsicht eine Nachfolge unter­neh­me­risch zu gestalten – allpar­teilich und immer mit dem Anspruch, dass niemand der invol­vierten Parteien auf der Strecke bleibt. 

Mehr zum Thema

Auf unserer Plattform finden Sie weiter­füh­rende Unter­lagen zum Thema, u.a. folgende Dossiers:

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Fotonachweis: Shutter­stock
Abbil­dungen: St. Galler Nachfolge

Bild von Frank Halter

Frank Halter

Frank Halter ist ausgewiesener Nachfolgeexperte, der sich seit vielen Jahren mit Passion für Nachfolgelösungen einsetzt, die Bestand haben und für alle ein Gewinn sein sollen: für das KMU, für die übergebende und die übernehmende Generation. Er hat das St. Galler Nachfolge-Modell mitentwickelt und betreibt die «St. Galler Nachfolge-Praxis», eine unabhängige Plattform für Wissen und Erfahrung rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

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