Blog 36: Was brauchen Firmen, um über Generationen hinweg Bestand zu haben?

Mehrge­ne­ra­tionen-Unter­nehmen sind Firmen, die seit mehreren Genera­tionen Bestand haben oder es sind Firmen, die von mehreren Genera­tionen gleich­zeitig geführt werden (oder beides zusammen). Mit beiden Aspekten sind spannende Fragen verbunden: Welche Voraus­set­zungen brauchen Firmen, dass Sie sich über mehrere Genera­tionen hinweg erfolg­reich entwickeln — und wie gelingt es, dass zwei Genera­tionen mitein­ander eine Firma erfolg­reich führen?

Ein Famili­en­un­ter­nehmen, das über mehrere Genera­tionen entwickelt und geführt wurde und wird, faszi­niert. Die Firma hat eine reiche Geschichte, die unter Umständen viele Jahrzehnte umfasst. Damit diese Entwicklung über Genera­tionen hinweg gelingt, braucht es bestimmte Voraus­set­zungen. Ich möchte auf vier Aspekte eingehen, die die Entwicklung einer Firma über die lange Frist hinweg begün­stigen können.

Bewusstsein für Tradition

Ein wertvolles Gut stellt das Bewusstsein dar, woher man kommt und wohin die gemeinsame Reise hingeht. Es geht dabei um einen gemein­samen Sinn, einen Gemeinsinn, aus dem ein für die Familie stimmiger überge­ord­neter Auftrag abgeleitet werden kann. Dies können kultu­relle Werte sein, eine Rezeptur oder eine Marke. Wichtig ist, dass es ein emotio­nales Gut ist, für das es sich lohnt einen Teil seiner Lebenszeit dafür zu investieren. 

Tradition muss wandelbar sein, damit sie langfristig überlebt und für das Unter­nehmen wertvoll bleibt. Wichtig ist auch, dass es sich um ein emotio­nales Gut handelt.

Tradition in diesem Sinne inter­pre­tiert, verbindet, motiviert und ist sinnstiftend. Tradition muss weder verstaubt sein, noch bedeuten, dass etwas veraltet ist. Im Gegenteil — auch Tradi­tionen müssen über die Zeit hinweg innoviert werden und dem jewei­ligen Zeitgeist adäquat angepasst werden, um langfristig überleben zu können. Es ist sozusagen eine wandelbare Tradition. 

Nähe und Distanz

Wie in jeder Beziehung gilt es auch innerhalb von Mehrge­ne­ra­tionen-Unter­nehmen eine Balance zu finden zwischen Nähe und Distanz. Die Distanz ist wichtig, um immer wieder einen — auch kriti­schen — Blick einzu­nehmen, einer­seits auf das grosse Ganze und um sich zu fragen, was gut ist für das Unter­nehmen. Distanz kann den Blick öffnen und den Horizont weiten und kann so auch frucht­barer Boden sein für neue Ideen, für Inspi­ration und Impulse. Gleich­zeitig hilft eine gewisse Distanz auch, bei sich zu bleiben und die eigenen Bedürf­nisse, Erwar­tungen und Wünsche bewusst wahrzu­nehmen und wenn nötig, zu thematisieren.

Gleicher­massen wichtig — gerade in Famili­en­un­ter­nehmen — ist auch Nähe. Nähe zwischen den Famili­en­mit­gliedern und auch innerhalb der Firma bedeutet Vertrauen und Wärme. Nähe ist eine Ressource, eine Kraft­quelle und Vertrauen ist die Voraus­setzung für einen geschützten Raum, in dem Neues kreiert, gedacht und dann eben auch umgesetzt wird. 

Wenn es gelingt, eine gute Balance zu finden zwischen Nähe und Distanz, d.h. eine gesunde Autonomie und Unabhän­gigkeit zu bewahren und gleich­zeitig mit dem Ursprung (Gemeinsinn, Tradition) verbunden zu bleiben, kann viel produktive Energie entstehen. 

Verhaltenskodex: wofür wir stehen und wie wir es umsetzen

Spiel- und Verhal­tens­regeln sind eine weitere Rahmen­be­dingung, die die Entwicklung einer Firma über mehrere Genera­tionen hinweg begün­stigt. Man spricht in diesem Zusam­menhang von einem “Code of Conduct” (Verhal­tens­kodex). Es geht dabei um ein Bewusstsein, wofür man als Familie steht und wie man sich dafür einsetzen möchte. Wenn diesbe­züglich Klarheit da ist, kann auch eine “Linie” gewähr­leistet werden bei der Familien-Unter­nehmens-Kultur und beim indivi­du­ellen Verhalten.

Die Kultur und Verhal­tens­regeln sind kein enges Korsett. Sie sind ein stabiler Kern, an dem man sich orien­tieren kann. Um sie weiter­zu­geben, muss man sie vorleben und erlebbar machen.

Diese Spiel­regeln gilt es vorzu­leben und bewusst weiter­zu­geben. Aller­dings: gemeint ist damit nicht ein enges Korsett, sondern vielmehr ein stabiler Kern, an dem ein junger Mensch andocken und sich darauf basierend entfalten kann. 

Ein solches Bewusstsein für die Kultur, Verhaltens- und Spiel­regeln entwickelt sich nicht von heute auf morgen und kann auch nicht alleine über ein schrift­liches Dokument wie einer Charta vermittelt werden. Es braucht Zeit und Engagement, um diese Werte zu pflegen und vor allem erlebbar zu machen. Das bedeutet Arbeit, die aber im Ergebnis mit Stolz verbunden werden kann und darf. 

Familien- und Eignerstrategie

Gerade in Unter­neh­mer­fa­milien, die sich über mehrere Genera­tionen entwickelt haben, ist der massgeb­liche Teil des Famili­en­ver­mögens im unter­neh­me­ri­schen Kontext gebunden. Wenn das Ziel verfolgt wird, weiterhin primär ins Unter­nehmen zu investieren, dann sind Spiel­regeln notwendig, welche die Einkommen- Dividenden- und Kapital­stra­tegien regeln. 

Die Kernfrage lautet dabei: Wie kann sicher­ge­stellt werden, dass die Famili­en­mit­glieder finan­ziell über die Runde kommen, ohne dabei das Unter­nehmen auszu­höhlen? Um diese Frage zu beant­worten, muss in einem ersten Schritt geklärt werden, was im Zentrum steht: “Family-First” oder “Business-First”? Relevant ist auch Klarheit zu haben, ob jedes Famili­en­mit­glied seinen Lebens­un­terhalt und damit verbunden auch seinen Lebensstil in Verbindung oder unabhängig von der heutigen oder morgigen Eigen­tümer-Rolle zu finan­zieren hat oder nicht.

Je mehr Genera­tionen bereits invol­viert waren, desto höher ist die Bereit­schaft, dies auch in Zukunft wieder so zu ermöglichen.

Der langfri­stige Fortbe­stand von Unter­nehmen über mehrere Genera­tionen hinaus ist keine Selbst­ver­ständ­lichkeit. Unter­su­chungen zeigen: Je mehr Genera­tionen bereits invol­viert waren, desto höher ist die Bereit­schaft, dies auch in Zukunft wieder so zu ermög­lichen. Damit dies gelingt, müssen sich die Unter­neh­mer­ge­ne­ra­tionen recht­zeitig mit den oben ausge­führten Punkten auseinandersetzen.

Wenn zwei Generationen die Firma führen

Ein weiterer spannender Aspekt — sowohl bei Famili­en­un­ter­nehmen, die bereits in der x‑ten Generation von der Familie geführt werden, wie auch bei jungen KMU — sind Führungs­mo­delle, bei denen zwei Genera­tionen gleich­zeitig und mitein­ander führen. Wie es gelingt, dass zwei Genera­tionen mitein­ander erfolg­reich eine Firma führen, mit dieser Frage beschäf­tigen wir uns im Blogbeitrag 37, den wir in den kommenden Wochen publizieren. 

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Frank Halter

Frank Halter ist ausgewiesener Nachfolgeexperte, der sich seit vielen Jahren mit Passion für Nachfolgelösungen einsetzt, die Bestand haben und für alle ein Gewinn sein sollen: für das KMU, für die übergebende und die übernehmende Generation. Er hat das St. Galler Nachfolge-Modell mitentwickelt und betreibt die «St. Galler Nachfolge-Praxis», eine unabhängige Plattform für Wissen und Erfahrung rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

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