Blog 37: Wenn verschiedene Generationen gemeinsam die Firma führen

Firmen, die von mehreren Genera­tionen gleich­zeitig geführt werden, können als Mehrge­ne­ra­tionen-Unter­nehmen bezeichnet werden. Gerade bei famili­en­ge­führten KMU arbeiten im Rahmen der Nachfolge oft zwei Genera­tionen noch über mehrere Jahre zusammen. Wie kann die Zusam­men­arbeit verschie­dener Genera­tionen unter demselben Firmendach gut gelingen und wie können zwei Genera­tionen mitein­ander eine Firma erfolg­reich führen?

Mit dem Thema “Mehrge­ne­ra­tionen-Unter­nehmen” sind viele spannende Fragen verbunden. Welche Voraus­set­zungen eine Firma braucht, damit sie sich über mehrere Genera­tionen hinweg erfolg­reich entwickeln kann, damit haben wir uns im Blogbeitrag 36 befasst. Nun setzen wir uns damit ausein­ander, weshalb es einigen Firmen gut gelingt, dass zwei Genera­tionen unter dem gleichen Firmendach zusam­men­ar­beiten und andere über die Konstel­lation stolpern. Was braucht es also für die erfolg­reiche Zusam­men­arbeit verschie­dener Genera­tionen? Wie auch bei Firmen, die über viele Genera­tionen hinweg Bestand habe, fördern bestimmte Rahmen­be­din­gungen den Erfolg. Folgende vier Empfeh­lungen erachten wir als wesentlich: 

  • ein klares Bewusstsein für Rollen zu haben,
  • Aufgaben, Verant­wort­lich­keiten und Zustän­dig­keiten klären,
  • vorhandene Ressourcen nutzen sowie 
  • Trans­parenz und klare Kommu­ni­kation, Neugier und Toleranz.

Klares Bewusstsein für Rollen

“Denke und spreche in Rollen” — dies ist eine unserer wichtigsten Empfeh­lungen. Es geht dabei darum, mit welchem Hut jemand eine Situation beurteilt — tut die Person es aus der Perspektive als Famili­en­mit­glied, als Führungs­person im Unter­nehmen oder als Eigentümer:in der Firma? Auch wenn ich um Rat gefragt werde oder eine Empfehlung abgebe, ist es relevant, in welcher Rolle ich das tue. Antworten und Tonali­täten fallen unter­schiedlich aus, je nachdem, welchen Hut jemand gerade trägt.

Dieses Bewusstsein ist für alle Invol­vierten relevant. Und es ist relevant, dass allen klar ist, wer in welcher Rolle gerade handelt, denkt oder spricht. Es kann zu Irrita­tionen und Missver­ständ­nissen führen, wenn die Tochter als Unter­neh­mens­person eine Frage stellt und der Vater diese als Famili­en­mit­glied beantwortet.

Beim Genera­tio­nen­wechsel müssen Rollen angepasst werden. Alte Muster müssen verlernt und neue Verhal­tens­weisen eingeübt werden.

Claudia Buchmann, Nachfol­ge­ex­pertin St. Galler Nachfolge

Diese Rollen­klarheit zu erlangen und sie trans­parent zu machen, kann anspruchsvoll sein und es kann sein, dass es dafür auch Übung braucht (im Sinne von Üben / Trainieren). Vor allem für Menschen, die viele Jahre oder Jahrzehnte verschiedene Funktionen in sich vereint haben, z.B. Eigentümer:in waren und gleich­zeitig das Verwal­tungs­rats­prä­sidium und die CEO-Funktion inne hatten, ist es ein Novum und meistens auch ein anspruchs­voller Schritt, im Rahmen des Nachfol­ge­pro­zesses den einen oder anderen Hut vorzeitig und vor allem auch konse­quent abzulegen.

Auch für nachfol­gende Genera­tionen ist diese Rollen­klarheit ein wichtiger Schlüssel. Nachfol­ge­rinnen und Nachfolgern gelingt es in der Regel viel besser eine gesunde Autorität im Unter­nehmen zu erreichen, wenn Sie z.B. ein Anliegen explizit in der Rolle als Abtei­lungs­leiter oder als Geschäfts­füh­rerin adres­sieren und nicht als Privatperson.

Eine genera­tio­nen­über­grei­fende Zusam­men­arbeit bedeutet somit, dass langjährig eingeübte und verin­ner­lichte Rollen verändert (überge­bende Generation) und neue Rollen angemessen einge­nommen (überneh­mende Generation) werden müssen. Dieser Prozess ist für alle Betei­ligten spannend und fordernd. Muster, die über viele Jahre (oft intuitiv und unbewusst) gelebt worden sind, werden nun aktiv gestaltet und bewusst verändert.

Gremien und deren Aufgaben klären

Eine weitere wichtige Rahmen­be­dingung, damit die Zusam­men­arbeit zwischen den Genera­tionen erfolg­reich gelingt, ist Klarheit im Bezug auf die Aufgaben, Verant­wort­lich­keiten und Zustän­dig­keiten der verschie­denen Gremien. Es muss geklärt und definiert werden, was in die Abtei­lungs­leitung gehört, was in die Geschäfts­leitung, was in den Verwal­tungsrat und was wiederum in die Generalversammlung. 

Ziel ist es, für jede Gremi­ums­stufe die jeweils passende “Flughöhe” sicher­zu­stellen. Der Entscheid, ob es einen Fahrrad­ständer braucht oder nicht, absor­biert auf Stufe Verwal­tungsrat oder General­ver­sammlung in aller Regel zu viel Zeit und Energie.

Die Aufgaben und Anfor­de­rungen zu definieren, ist der erste Schritt. Im Anschluss folgt die Umsetzung und damit verbunden auch ein Einüben der meist neuen Aufga­ben­ver­teilung. Wichtig ist es, dass der Aufga­ben­teilung auch im opera­tiven Alltag hohe Aufmerk­samkeit geschenkt wird und bei den verschie­denen Schnittstellen. 

Nutzen von vorhandenen Ressourcen

Wenn die Anfor­de­rungen an Funktionen und Gremien definiert sind, dann können diese personell besetzt werden. Dabei ist die Kontroll­frage zentral, ob die entspre­chenden Individuen, die für eine Funktion oder ein Gremium vorge­sehen sind, den Anfor­de­rungen gerecht werden oder (noch) nicht. 

Ein kriti­scher und ehrlicher Blick ist dabei wichtig. Gleichwohl ist unsere Beobachtung in der Praxis oft, dass der Fokus fast ausschliesslich auf den Defiziten liegt und weniger auf den Poten­zialen. Die erste Frage könnte deshalb sein: Welche Stärken und Poten­ziale sind da und wie können wir diese Fähig­keiten oder Kompe­tenzen für das Unter­nehmen konstruktiv nutzen und einsetzen? 

Welche Poten­ziale und Stärken sind da — und wie kann die Firma davon profi­tieren? Was darf sich noch entwickeln und wie? Konkrete Entwick­lungs­pläne sind ein Schlüssel zum Erfolg.

Niemand ist vollständig oder perfekt — weder eine Firma noch eine Organi­sation noch die Personen, welche eine Organi­sation oder eine Firma ausmachen. Die Frage ist zentral, wie das Unter­nehmen und die Organi­sation sich entwickeln kann, soll und darf, ebenso wie die einzelnen Individuen. 

Konkrete Entwick­lungs­pläne sind ein Schlüssel zum Erfolg! Wenn sich diese Entwick­lungs­pläne an einer klaren Vision und Strategie orien­tieren können, die sowohl für das Unter­nehmen wie auch für die Familie Gültigkeit haben, wird die konkrete Ausge­staltung und Ausrichtung der Pläne einfacher. Das gemeinsame Ziel hat dabei die Funktion eines Leitsterns. Ressourcen aufein­ander abzustimmen und in die gleiche Richtung auszu­richten, wird damit einfacher.

Toleranz, Neugier, Transparenz und Kommunikation

Arbeiten verschiedene Genera­tionen gemeinsam unter demselben Dach, befinden sich dort auch verschiedene Welten, die aufein­an­der­prallen können. Die unter­schied­liche Sicht­weisen, die Genera­tionen mit sich bringen, sind inter­essant und können im besten Fall zu ganz neu gedachten Lösungen führen. 

Damit dies gelingen kann, braucht es gegen­seitige Toleranz und die Neugier, sich auf etwas Neues einzu­lassen. Weitere Voraus­set­zungen sind Trans­parenz und Kommu­ni­kation. Trans­parenz erhöht die Möglichkeit, allfällige Unter­schiede kennen­zu­lernen und diese wiederum können nur mittels Kommu­ni­kation bekannt gemacht und unter­ein­ander weiter­ent­wickelt werden. 

Die Faust im Sack — die wir als Strategie notabene generell nicht empfehlen — kann gerade in Mehrge­ne­ra­tionen-Unter­nehmen viel Schaden anrichten, die Entwicklung ausbremsen und für Unmut und Missver­ständ­nisse sorgen. Damit Neues entstehen und der Genera­tio­nen­wechsel zusammen und mitein­ander gelingt, braucht es vielmehr die Bereit­schaft, in Raum und Zeit zu investieren, in neue Ideen und den gemein­samen Dialog. 

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Frank Halter

Frank Halter ist ausgewiesener Nachfolgeexperte, der sich seit vielen Jahren mit Passion für Nachfolgelösungen einsetzt, die Bestand haben und für alle ein Gewinn sein sollen: für das KMU, für die übergebende und die übernehmende Generation. Er hat das St. Galler Nachfolge-Modell mitentwickelt und betreibt die «St. Galler Nachfolge-Praxis», eine unabhängige Plattform für Wissen und Erfahrung rund um das Thema Unternehmensnachfolge.

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