In allen Familienunternehmen kommt es zu Konflikten. Wie die Beteiligten damit umgehen, variiert von Familie zu Familie. Erfolgreiche Familienunternehmen haben gelernt, ihre Kommunikations- und Konfliktfähigkeiten zu entwickeln und bewusst einzusetzen. Franziska Müller Tiberini mit Empfehlungen, wie auch Sie eine stabile Basis von konstruktiver Kommunikation und Konfliktfähigkeit schaffen können.
Familienunternehmen sind eigentlich eine unmögliche Unternehmensform, schreibt Arist von Schlippe im Vorwort zu meinem Buch „Wir schaffen das”. Unmöglich deshalb, weil die drei sozialen Systeme „Familie”, „Unternehmen” und „Eigentum” auf so unterschiedlichen Kommunikationslogiken beruhen, dass ihre Verbindung nichts anderes erzeugen kann als ständige Konflikte, Missverständnisse und Ungereimtheiten. Damit eine Firmenübergabe trotzdem gelingt, dafür braucht es eine besondere Anstrengung aller Beteiligten.
Reibereien in Familienunternehmen sind normal – keine Reibereien sind nicht normal.
Franziska Müller Tiberini
Wir können die Feststellung machen: Reibereien in der Familie sind normal – keine Reibereien in der Familie sind nicht normal. Arbeiten zum Beispiel Sohn und Vater zusammen in der gleichen Firma und besitzen diese vielleicht auch noch gemeinsam, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die beiden über die Jahre der Zusammenarbeit und im Speziellen, wenn es dann um die Nachfolge und damit um den Übergabeprozess geht, in die Haare geraten. Um dies zu verhindern, braucht es besondere Anstrengung und ein rechtzeitiges Planen rund um das “Wie” – d.h. wie Sohn, Vater und die Familie den Nachfolgeprozess erfolgreich gestalten möchten. Dafür braucht es vor allem konstruktive Kommunikation.
Wie entstehen Konflikte?
Konflikte entstehen selten durch ein schlagartiges Ereignis. Konflikte sind meist schleichende Prozesse. Es ist nicht unüblich, dass beim Aufarbeiten eines Konfliktes die Parteien Mühe haben, zu erklären, wann und warum der Streit begonnen hat. Wir Menschen sind und haben unterschiedliche Bedürfnisse, Sichtweisen und Ziele.
Eine häufige Ursache von Konflikten sind unerfüllte Erwartungen, die dann Anlass zu Konflikten geben, wenn sie unausgesprochen bleiben. Die meisten Eltern haben eine Erwartung, wie Tochter oder Sohn sein sollten, wie sie arbeiten, die Firma führen oder mit den Mitarbeitenden umgehen sollten.
Genauso bringen die Kinder ihren Eltern Erwartungen entgegen. Die gegenseitigen unausgesprochenen Annahmen führen zuerst zu Missverständnissen und Unzufriedenheiten, bald zu Streitigkeiten. Dann braucht es Kommunikation, damit geklärt werden kann, was realistisch erwartet und umgesetzt werden kann.
Kommunikation ist die Basis, damit eine Nachfolge gut gelingt
Die Aussage „Kommunikation steht im Mittelpunkt” und ist der Schlüssel zum Erfolg eines gelungen Generationenwechsel in einem Familienunternehmen, mag einfach klingen. Ist es aber aus meiner Erfahrung nicht. Eine typische Ausgangssituation in solchen Firmen kann oft wie folgt beschrieben werden: es wird viel gearbeitet, viel geredet, alle Involvierten stehen unter ständigem Druck, Höchstleistung gegenüber Kunden zu erbringen, gleichzeitig muss den Forderungen der Mitarbeitenden nachgekommen werden, wechselnden Umwelt- und Marktbedingungen ist Rechnung zu tragen und dann – kommen auch noch Spannungen unter den Familienmitgliedern hinzu. Das sind zahlreiche Faktoren, die das System Familienunternehmen aushalten muss. Dass es dabei zu Schwierigkeiten kommen kann, ist naheliegend. Was kann getan werden?
Vorbeugen ist besser als heilen. Und vorbeugen bedeutet: kommunizieren. Das gilt gerade für den Veränderungsprozess, der bei einer Firmenübergabe stattfindet. Es bedeutet, dass man nicht unwissend in diesen Prozess der Nachfolge hinein gehen sollte, sondern im Idealfall vorgängig einige relevante Punkte geklärt und besprochen haben muss.
Eine häufige Ursache von Konflikten sind unerfüllte Erwartungen. Sie geben dann Anlass zu Konflikten, wenn sie unausgesprochen sind.
Franziska Müller Tiberini
In der Praxis erlebe ich zu oft, dass Familien die Jungen, Söhne oder Töchter, in die Firma holen und davon ausgehen, dass „es sich irgendwie ergeben wird”. Man kann Glück haben und die nachfolgende Generation fügt sich natürlich in das Unternehmen ein und nach einer bestimmten Einarbeitungszeit übernimmt die Tochter, der Sohn die Firma. Nur, leider verläuft in den wenigsten Fällen der Prozess so mühelos.
Ein Nachfolgeprozess ist ein komplexes Vorhaben, dass nebst dem Wissen, wie man eine Firma übergeben kann, zusätzliches Wissen in unterschiedlichen Belangen voraussetzt, oder den Einbezug von Fachpersonen, die in den relevanten Fragen unterstützen und helfen können. Dabei kann es z.B. um die Finanzen (Planung- und Bewertungsfragen) oder um Gesellschafts‑, Steuer‑, Erb- und Eherecht gehen, um nur einige wenige der vielen Themen zu nennen.
Was wir nicht delegieren können, ist die Kommunikation in und mit der Familie. Diese Tatsache wird oft unterschätzt. Langfristig einen guten Umgang miteinander zu finden, unabhängig davon, ob man gemeinsam in der Firma arbeitet, diese besitzt oder verkauft, das liegt in der Verantwortung der Familie. Einfach gesagt: Wer auch in Zukunft als Familie die Feiertage zusammen feiern möchte, braucht eine stabile Basis von konstruktiver Kommunikation- und Konfliktfähigkeit.
Bewusst kommunizieren ist eine Haltung, die man erlernen kann
Wie kommunizieren wir also, wenn es um Konflikte geht und wenn wir Konflikte vermeiden wollen? Begegne ich einer Familie im Rahmen einer Beratung das erste Mal, so ist ihr nicht von Anfang an bewusst, welch Bedeutung Kommunikationsfähigkeit hat. Denn kommunizieren ist nicht einfach nur reden oder zuhören. Besser zu kommunizieren, ist eine Haltung und ein Werkzeug, welches dem Leben eine zusätzliche Qualität im Umgang mit Menschen geben kann, in der Familie und an der Arbeit.
Kommunizieren ist nicht einfach nur reden oder zuhören. Kommunizieren widerspiegelt eine Haltung, wie wir miteinander umgehen.
Franziska Müller Tiberini
Wenn eine Familie offen dafür ist, bringe ich ihr verschiedene Kommunikationswerkzeuge näher und motiviere sie, diese mit konkreten Übungen zu trainieren. Ziel ist es, die Beteiligten in folgenden Bereichen zu befähigen:
- ihren Anliegen Gehör zu verschaffen,
- selber sicherzustellen, dass sie verstanden haben, was gesagt wurde,
- mit dem Ziel, dass sich so die Dialogfähigkeit untereinander verbessert.
Dazu braucht es Kenntnisse, wie die Sprache anzuwenden ist. Es ist wichtig, dass sich die Beteiligten diese Fähigkeiten aneignen und Freude daran bekommen, in eine Art Verhandlungsmodus miteinander einzutreten. Die für mich dafür überzeugendsten Konzepte sind das Kommunikations- und Wertequadrat von Schulz von Thun und die Gewaltfreie Kommunikation des amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg (1934 – 2015).
Wenn die Familienmitglieder Kommunikation als unverzichtbares Instrument kennen und nutzen lernen, kann das nicht nur einen grossen Einfluss im gegenseitigen Umgang bewirken, sondern gar eine Wende in einem Konflikt herbeiführen. Lösungen können gemeinsam gefunden werden.
Folgende Aussage kam von einer Klientin eines Familienunternehmen: gemacht: „Rückschauend auf die letzten zwei Jahre in unserer Familie im Nachfolgeprozess, hätten wir zuerst einen Kurs in Gewaltfreier Kommunikation als Familie absolvieren sollen. Es wäre uns einiges erspart geblieben. Vor allem hätten wir uns nicht so verletzt. Nachdem wir alle einen Kurs in Gewaltfreier Kommunikation besucht hatten, wurde uns bewusst, was es bedeutet, zuzuhören, unterschiedliche Bedürfnisse wahrzunehmen und nach einer Lösung zu suchen die für alle akzeptabel war. Wir spürten plötzlich Erleichterung und der Humor war wieder da!”
Informelle und formelle Kommunikation
„Das können wir am Mittagessen diskutieren” und „Sitzungen brauchen wir nicht, die stehlen uns nur unnötig die Zeit”, sind zwei Aussagen, die ich immer wieder höre. Informelle Kommunikation ist, wenn wir uns ausschliesslich dann informieren und miteinander sprechen, wenn die Themen anfallen und die Probleme adhoc gelöst werden. Geredet wird irgendwann, irgendwo, beim Mittagessen, auf dem Gang, in der Werkstatt, auf dem Parkplatz beim Einsteigen ins Auto, beim Feierabendbier.
Kommunikation darf man nicht dem Zufall überlassen. Kommunikation muss man zum Programm machen.
Franziska Müller Tiberini
Bei einer Gründerorganisation kann diese informelle Art von Kommunikation – im kleinen, vertrauten Team – sehr erfolgreich sein. Wächst aber die Firma, weitere Mitarbeitende kommen dazu, Arbeitsprozesse werden komplexer, Kundenstämme vergrössern sich, Lieferanten werden zahlreicher, dann ist es spätestens Zeit, sich mit der Organisation, Information und Kommunikation auseinanderzusetzen. Kommunikation darf nicht dem Zufall überlassen lassen werden.
Damit wir gemeinsam an einem Strick ziehen können, müssen alle an einen Tisch. Regelmässige Sitzungen, die wöchentlich oder monatlich stattfinden, inklusivem transparentem Reportingsystemen, sind dafür wertvolle Instrumente, um sich gegenseitig zu informieren und die Beziehung zu pflegen. Denn Kommunikation beinhaltet immer beide Elemente: Information und Beziehung. Das eine geht nicht ohne das andere.
Agenda wöchentliche Sitzung (kurze Sitzung)
1. Information: Alle anhören mit welchen Themen wir uns beschäftigen.
2. Was ist gut gelaufen? Was ist nicht gut gelaufen? Was muss wie verbessert werden?
3. Was kommt diese Woche auf uns zu? Was müssen wir voneinander wissen?
4. Braucht ein Thema mehr als 10 Minuten, setzen wir eine weitere Sitzung an nur mit den beteiligten Personen.
5. Was mich sonst noch beschäftigt (Die Möglichkeit schaffen, um persönliche Voten einzubringen)
Agenda monatliche Sitzung (z.B. GL-Sitzung)
1. Kurzprotokoll der letzten Sitzung
(Pendenzen der letzten Sitzung, evt. auch am Schluss besprechen)
2. Zahlenstatus austauschen
— Wo stehen wir in Bezug auf Budget?
— Müssen Massnahmen getroffen werden?
3. Bereichsleiter:innen rapportieren (Z.B. Verkauf, Einkauf, Produktion, Logistik, Entwicklung)
— Stand der Projekte: was ist gut, was nicht?
— wichtige Themen
— gegenseitige Information
4. Personalthemen
5. Termine
— Allgemein und nächste Sitzung
6. Diverses
— Neues Thema / neue Projekte
— Was mich sonst noch beschäftigt
Mit der Nachfolge plant man auch die Zukunft — das braucht Zeit und Raum
Es braucht nicht nur die Erkenntnis, dass wir miteinander über das Jetzt reden müssen, sondern auch, dass wir zusammen planen müssen. Nachfolge bedeutet, einen gemeinsamen Plan zu erarbeiten, der allen eine Perspektive gibt. Jenen, die das Unternehmen verlassen und jenen, die bleiben.
Die Zukunft zu planen, braucht Zeit und kann nicht innerhalb des Tagesgeschäfts besprochen werden. Diese Zeit müssen wir uns nehmen, um uns auszutauschen, Themen zu priorisieren und ein klares Ziel zu definieren und immer wieder zu prüfen, ob wir auf dem Weg zu diesem Ziel sind.
Ein Generationenwechsel innerhalb einer Familie kann sich über Jahre hinziehen. In der Literatur werden oft die “sieben biblischen Jahre” genannt. Die Komplexität ist einer der Gründe für die lange Dauer. In vielen Fällen bestätigt sich meine Beobachtung, dass nebst der Komplexität, die auf der Sachebene zu bewältigen ist, auch noch der persönliche Prozess des Loslassens hinzukommt.
Loslassen wird von starken Gefühlen begleitet: Verweigerung, Trauer, Angst – um nur einige wenige zu nennen. Dieser persönliche Prozess braucht Zeit und ist unverzichtbar. Denn nur eine gelungene Ablösung ermöglicht der Familie und der Firma sich ganz auf die Zukunft auszurichten und weiterzugehen.
Mein persönliches Fazit
Konflikt- und Kommunikationsfähigkeiten entstehen nicht zufällig, sondern sind unverzichtbare Instrumente, die wir uns aneignen können, üben und einsetzen. Um wirksam kommunizieren zu können, benötigt es Klarheit. Klarheit darüber, wie wir informieren und uns organisieren.
Rund um das Thema Kommunizieren und Konflikte sind für mich folgende Kernaussagen relevant:
- Konflikte sind normal – keine Konflikte sind nicht normal.
- Kommunizieren heisst zuhören, verstehen, sicherstellen, dass ich das Gesagte richtig verstanden habe.
- Es braucht die Haltung und das Verständnis, dass wir unterschiedlich sind. Unterschiedlich in unserem Alter, unserer Erfahrung, unseren Lebensphasen und Rollen, die wir in der Familie und im Unternehmen einnehmen.
Für den Übergabeprozess ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, Meilensteine und Ziele zu setzen, und — wo sinnvoll — Fachpersonen zur Unterstützung hinzuziehen. Die Haltung hinter allem Handeln sollte sein: Wir sind Menschen, die bei allen Differenzen, immer in guter Absicht handeln für das langfristige Miteinander in der Familie und den Erfolg des Unternehmens anstreben. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.
Weiterführende Links
- Erklärvideo: Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation (Andreas Nolte)
- Erklärvideo: Kommunikationsquadrat Schulz von Thun | Vier Seiten einer Nachricht
- Erklärvideo: Schulz von Thun: Nachrichtenquadrat
ÜBER FRANZISKA MÜLLER TIBERINI
Franziska Müller Tiberini ist Mediatorin SDM, Supervisorin und Unternehmerin. Sie hat 25 Jahre Berufserfahrung in der Begleitung von Familienunternehmen. Davor war sie 12 Jahre im familieneigenen Unternehmen in der Elektroindustrie tätig, unter anderem als CEO. Ihre Schwerpunktthemen sind unternehmerische Nachfolgeplanung in Familienunternehmen und Mediation, Kommunikation sowie Konfliktlösung. Seit Mai 2020 ist sie Präsidentin von „Schweizerischer Dachverband Mediation” (SDM). Mehr über Franziska Müller Tiberini.
Mehr zum Thema auf St. Galler Nachfolge
Wenn Sie sich für Familienunternehmen und die Nachfolge Interessen, können wir Ihnen unter anderem folgende Beiträge von St. Galler Nachfolge empfehlen, die Sie auf unserer Plattform finden:
- Video: Fabienne Schaub im Gespräch — als Tochter die Nachfolge antreten
- Video: Michael Müller im Gespräch — als Sohn die Nachfolge antreten
- Dossier: Schrift Nr. 12 | KMU Nachfolgeberatung
- Dossier: Schrift Nr. 02 | KMU Nachfolge wirkungsvoll gestalten
Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unterlagen und Arbeitsblätter kostenlos zur Verfügung.
Fotonachweis: Shutterstock