Blog 34: Kommunikation als Schlüssel für ein langfristiges Miteinander von Familie und Firma

In allen Famili­en­un­ter­nehmen kommt es zu Konflikten. Wie die Betei­ligten damit umgehen, variiert von Familie zu Familie. Erfolg­reiche Famili­en­un­ter­nehmen haben gelernt, ihre Kommu­ni­ka­tions- und Konflikt­fä­hig­keiten zu entwickeln und bewusst einzu­setzen. Franziska Müller Tiberini mit Empfeh­lungen, wie auch Sie eine stabile Basis von konstruk­tiver Kommu­ni­kation und Konflikt­fä­higkeit schaffen können.

Famili­en­un­ter­nehmen sind eigentlich eine unmög­liche Unter­neh­mensform, schreibt Arist von Schlippe im Vorwort zu meinem Buch „Wir schaffen das”. Unmöglich deshalb, weil die drei sozialen Systeme „Familie”, „Unter­nehmen” und „Eigentum” auf so unter­schied­lichen Kommu­ni­ka­ti­ons­lo­giken beruhen, dass ihre Verbindung nichts anderes erzeugen kann als ständige Konflikte, Missver­ständ­nisse und Ungereimt­heiten. Damit eine Firmen­übergabe trotzdem gelingt, dafür braucht es eine besondere Anstrengung aller Beteiligten.

Reibe­reien in Famili­en­un­ter­nehmen sind normal – keine Reibe­reien sind nicht normal.

Franziska Müller Tiberini

Wir können die Feststellung machen: Reibe­reien in der Familie sind normal – keine Reibe­reien in der Familie sind nicht normal. Arbeiten zum Beispiel Sohn und Vater zusammen in der gleichen Firma und besitzen diese vielleicht auch noch gemeinsam, so steigt die Wahrschein­lichkeit, dass sich die beiden über die Jahre der Zusam­men­arbeit und im Spezi­ellen, wenn es dann um die Nachfolge und damit um den Überga­be­prozess geht, in die Haare geraten. Um dies zu verhindern, braucht es besondere Anstrengung und ein recht­zei­tiges Planen rund um das “Wie” – d.h. wie Sohn, Vater und die Familie den Nachfol­ge­prozess erfolg­reich gestalten möchten. Dafür braucht es vor allem konstruktive Kommunikation.

Wie entstehen Konflikte?

Konflikte entstehen selten durch ein schlag­ar­tiges Ereignis. Konflikte sind meist schlei­chende Prozesse. Es ist nicht unüblich, dass beim Aufar­beiten eines Konfliktes die Parteien Mühe haben, zu erklären, wann und warum der Streit begonnen hat. Wir Menschen sind und haben unter­schied­liche Bedürf­nisse, Sicht­weisen und Ziele.

Eine häufige Ursache von Konflikten sind unerfüllte Erwar­tungen, die dann Anlass zu Konflikten geben, wenn sie unaus­ge­sprochen bleiben. Die meisten Eltern haben eine Erwartung, wie Tochter oder Sohn sein sollten, wie sie arbeiten, die Firma führen oder mit den Mitar­bei­tenden umgehen sollten.

Genauso bringen die Kinder ihren Eltern Erwar­tungen entgegen. Die gegen­sei­tigen unaus­ge­spro­chenen Annahmen führen zuerst zu Missver­ständ­nissen und Unzufrie­den­heiten, bald zu Strei­tig­keiten. Dann braucht es Kommu­ni­kation, damit geklärt werden kann, was reali­stisch erwartet und umgesetzt werden kann.

Kommunikation ist die Basis, damit eine Nachfolge gut gelingt

Die Aussage „Kommu­ni­kation steht im Mittel­punkt” und ist der Schlüssel zum Erfolg eines gelungen Genera­tio­nen­wechsel in einem Famili­en­un­ter­nehmen, mag einfach klingen. Ist es aber aus meiner Erfahrung nicht. Eine typische Ausgangs­si­tuation in solchen Firmen kann oft wie folgt beschrieben werden: es wird viel gearbeitet, viel geredet, alle Invol­vierten stehen unter ständigem Druck, Höchst­lei­stung gegenüber Kunden zu erbringen, gleich­zeitig muss den Forde­rungen der Mitar­bei­tenden nachge­kommen werden, wechselnden Umwelt- und Markt­be­din­gungen ist Rechnung zu tragen und dann – kommen auch noch Spannungen unter den Famili­en­mit­gliedern hinzu. Das sind zahlreiche Faktoren, die das System Famili­en­un­ter­nehmen aushalten muss. Dass es dabei zu Schwie­rig­keiten kommen kann, ist naheliegend. Was kann getan werden? 

Vorbeugen ist besser als heilen. Und vorbeugen bedeutet: kommu­ni­zieren. Das gilt gerade für den Verän­de­rungs­prozess, der bei einer Firmen­übergabe statt­findet. Es bedeutet, dass man nicht unwissend in diesen Prozess der Nachfolge hinein gehen sollte, sondern im Idealfall vorgängig einige relevante Punkte geklärt und besprochen haben muss. 

Eine häufige Ursache von Konflikten sind unerfüllte Erwar­tungen. Sie geben dann Anlass zu Konflikten, wenn sie unaus­ge­sprochen sind.

Franziska Müller Tiberini

In der Praxis erlebe ich zu oft, dass Familien die Jungen, Söhne oder Töchter, in die Firma holen und davon ausgehen, dass „es sich irgendwie ergeben wird”. Man kann Glück haben und die nachfol­gende Generation fügt sich natürlich in das Unter­nehmen ein und nach einer bestimmten Einar­bei­tungszeit übernimmt die Tochter, der Sohn die Firma. Nur, leider verläuft in den wenigsten Fällen der Prozess so mühelos.

Ein Nachfol­ge­prozess ist ein komplexes Vorhaben, dass nebst dem Wissen, wie man eine Firma übergeben kann, zusätz­liches Wissen in unter­schied­lichen Belangen voraus­setzt, oder den Einbezug von Fachper­sonen, die in den relevanten Fragen unter­stützen und helfen können. Dabei kann es z.B. um die Finanzen (Planung- und Bewer­tungs­fragen) oder um Gesellschafts‑, Steuer‑, Erb- und Eherecht gehen, um nur einige wenige der vielen Themen zu nennen. 

Was wir nicht delegieren können, ist die Kommu­ni­kation in und mit der Familie. Diese Tatsache wird oft unter­schätzt. Langfristig einen guten Umgang mitein­ander zu finden, unabhängig davon, ob man gemeinsam in der Firma arbeitet, diese besitzt oder verkauft, das liegt in der Verant­wortung der Familie. Einfach gesagt: Wer auch in Zukunft als Familie die Feiertage zusammen feiern möchte, braucht eine stabile Basis von konstruk­tiver Kommu­ni­kation- und Konfliktfähigkeit.

Bewusst kommunizieren ist eine Haltung, die man erlernen kann

Wie kommu­ni­zieren wir also, wenn es um Konflikte geht und wenn wir Konflikte vermeiden wollen? Begegne ich einer Familie im Rahmen einer Beratung das erste Mal, so ist ihr nicht von Anfang an bewusst, welch Bedeutung Kommu­ni­ka­ti­ons­fä­higkeit hat. Denn kommu­ni­zieren ist nicht einfach nur reden oder zuhören. Besser zu kommu­ni­zieren, ist eine Haltung und ein Werkzeug, welches dem Leben eine zusätz­liche Qualität im Umgang mit Menschen geben kann, in der Familie und an der Arbeit. 

Kommu­ni­zieren ist nicht einfach nur reden oder zuhören. Kommu­ni­zieren wider­spiegelt eine Haltung, wie wir mitein­ander umgehen.

Franziska Müller Tiberini

Wenn eine Familie offen dafür ist, bringe ich ihr verschiedene Kommu­ni­ka­ti­ons­werk­zeuge näher und motiviere sie, diese mit konkreten Übungen zu trainieren. Ziel ist es, die Betei­ligten in folgenden Bereichen zu befähigen:

  • ihren Anliegen Gehör zu verschaffen, 
  • selber sicher­zu­stellen, dass sie verstanden haben, was gesagt wurde,
  • mit dem Ziel, dass sich so die Dialog­fä­higkeit unter­ein­ander verbessert. 

Dazu braucht es Kennt­nisse, wie die Sprache anzuwenden ist. Es ist wichtig, dass sich die Betei­ligten diese Fähig­keiten aneignen und Freude daran bekommen, in eine Art Verhand­lungs­modus mitein­ander einzu­treten. Die für mich dafür überzeu­gendsten Konzepte sind das Kommu­ni­ka­tions- und Werte­quadrat von Schulz von Thun und die Gewalt­freie Kommu­ni­kation des ameri­ka­ni­schen Psycho­logen Marshall B. Rosenberg (1934 – 2015).

Wenn die Famili­en­mit­glieder Kommu­ni­kation als unver­zicht­bares Instrument kennen und nutzen lernen, kann das nicht nur einen grossen Einfluss im gegen­sei­tigen Umgang bewirken, sondern gar eine Wende in einem Konflikt herbei­führen. Lösungen können gemeinsam gefunden werden. 

Folgende Aussage kam von einer Klientin eines Famili­en­un­ter­nehmen: gemacht: „Rückschauend auf die letzten zwei Jahre in unserer Familie im Nachfol­ge­prozess, hätten wir zuerst einen Kurs in Gewalt­freier Kommu­ni­kation als Familie absol­vieren sollen. Es wäre uns einiges erspart geblieben. Vor allem hätten wir uns nicht so verletzt. Nachdem wir alle einen Kurs in Gewalt­freier Kommu­ni­kation besucht hatten, wurde uns bewusst, was es bedeutet, zuzuhören, unter­schied­liche Bedürf­nisse wahrzu­nehmen und nach einer Lösung zu suchen die für alle akzep­tabel war. Wir spürten plötzlich Erleich­terung und der Humor war wieder da!”

Informelle und formelle Kommunikation

„Das können wir am Mittag­essen disku­tieren” und „Sitzungen brauchen wir nicht, die stehlen uns nur unnötig die Zeit”, sind zwei Aussagen, die ich immer wieder höre. Infor­melle Kommu­ni­kation ist, wenn wir uns ausschliesslich dann infor­mieren und mitein­ander sprechen, wenn die Themen anfallen und die Probleme adhoc gelöst werden. Geredet wird irgendwann, irgendwo, beim Mittag­essen, auf dem Gang, in der Werkstatt, auf dem Parkplatz beim Einsteigen ins Auto, beim Feierabendbier. 

Kommu­ni­kation darf man nicht dem Zufall überlassen. Kommu­ni­kation muss man zum Programm machen.

Franziska Müller Tiberini

Bei einer Gründer­or­ga­ni­sation kann diese infor­melle Art von Kommu­ni­kation – im kleinen, vertrauten Team – sehr erfolg­reich sein. Wächst aber die Firma, weitere Mitar­bei­tende kommen dazu, Arbeits­pro­zesse werden komplexer, Kunden­stämme vergrössern sich, Liefe­ranten werden zahlreicher, dann ist es späte­stens Zeit, sich mit der Organi­sation, Infor­mation und Kommu­ni­kation ausein­an­der­zu­setzen. Kommu­ni­kation darf nicht dem Zufall überlassen lassen werden.

Damit wir gemeinsam an einem Strick ziehen können, müssen alle an einen Tisch. Regel­mässige Sitzungen, die wöchentlich oder monatlich statt­finden, inklu­sivem trans­pa­rentem Reporting­sy­stemen, sind dafür wertvolle Instru­mente, um sich gegen­seitig zu infor­mieren und die Beziehung zu pflegen. Denn Kommu­ni­kation beinhaltet immer beide Elemente: Infor­mation und Beziehung. Das eine geht nicht ohne das andere.

Agenda wöchent­liche Sitzung (kurze Sitzung) 

1. Infor­mation: Alle anhören mit welchen Themen wir uns beschäf­tigen.
2. Was ist gut gelaufen? Was ist nicht gut gelaufen? Was muss wie verbessert werden?
3. Was kommt diese Woche auf uns zu? Was müssen wir vonein­ander wissen?
4. Braucht ein Thema mehr als 10 Minuten, setzen wir eine weitere Sitzung an nur mit den betei­ligten Personen.
5. Was mich sonst noch beschäftigt (Die Möglichkeit schaffen, um persön­liche Voten einzubringen)

Agenda monat­liche Sitzung (z.B. GL-Sitzung) 

1. Kurzpro­tokoll der letzten Sitzung
(Pendenzen der letzten Sitzung, evt. auch am Schluss besprechen)
2. Zahlen­status austau­schen 
— Wo stehen wir in Bezug auf Budget?
— Müssen Massnahmen getroffen werden?
3. Bereichsleiter:innen rappor­tieren (Z.B. Verkauf, Einkauf, Produktion, Logistik, Entwicklung)
— Stand der Projekte: was ist gut, was nicht?
— wichtige Themen
— gegen­seitige Infor­mation
4. Perso­nal­themen
5. Termine
— Allgemein und nächste Sitzung
6. Diverses
— Neues Thema / neue Projekte
— Was mich sonst noch beschäftigt

Mit der Nachfolge plant man auch die Zukunft — das braucht Zeit und Raum

Es braucht nicht nur die Erkenntnis, dass wir mitein­ander über das Jetzt reden müssen, sondern auch, dass wir zusammen planen müssen. Nachfolge bedeutet, einen gemein­samen Plan zu erarbeiten, der allen eine Perspektive gibt. Jenen, die das Unter­nehmen verlassen und jenen, die bleiben. 

Die Zukunft zu planen, braucht Zeit und kann nicht innerhalb des Tages­ge­schäfts besprochen werden. Diese Zeit müssen wir uns nehmen, um uns auszu­tau­schen, Themen zu priori­sieren und ein klares Ziel zu definieren und immer wieder zu prüfen, ob wir auf dem Weg zu diesem Ziel sind. 

Abb. 1: Die Zukunft struk­tu­riert planen: dafür muss man sich Zeit einplanen.

Ein Genera­tio­nen­wechsel innerhalb einer Familie kann sich über Jahre hinziehen. In der Literatur werden oft die “sieben bibli­schen Jahre” genannt. Die Komple­xität ist einer der Gründe für die lange Dauer. In vielen Fällen bestätigt sich meine Beobachtung, dass nebst der Komple­xität, die auf der Sachebene zu bewäl­tigen ist, auch noch der persön­liche Prozess des Loslassens hinzukommt. 

Loslassen wird von starken Gefühlen begleitet: Verwei­gerung, Trauer, Angst – um nur einige wenige zu nennen. Dieser persön­liche Prozess braucht Zeit und ist unver­zichtbar. Denn nur eine gelungene Ablösung ermög­licht der Familie und der Firma sich ganz auf die Zukunft auszu­richten und weiterzugehen. 

Mein persönliches Fazit

Konflikt- und Kommu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keiten entstehen nicht zufällig, sondern sind unver­zichtbare Instru­mente, die wir uns aneignen können, üben und einsetzen. Um wirksam kommu­ni­zieren zu können, benötigt es Klarheit. Klarheit darüber, wie wir infor­mieren und uns organisieren. 

Rund um das Thema Kommu­ni­zieren und Konflikte sind für mich folgende Kernaus­sagen relevant:

  • Konflikte sind normal – keine Konflikte sind nicht normal. 
  • Kommu­ni­zieren heisst zuhören, verstehen, sicher­stellen, dass ich das Gesagte richtig verstanden habe.
  • Es braucht die Haltung und das Verständnis, dass wir unter­schiedlich sind. Unter­schiedlich in unserem Alter, unserer Erfahrung, unseren Lebens­phasen und Rollen, die wir in der Familie und im Unter­nehmen einnehmen.

Für den Überga­be­prozess ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, Meilen­steine und Ziele zu setzen, und — wo sinnvoll — Fachper­sonen zur Unter­stützung hinzu­ziehen. Die Haltung hinter allem Handeln sollte sein: Wir sind Menschen, die bei allen Diffe­renzen, immer in guter Absicht handeln für das langfri­stige Mitein­ander in der Familie und den Erfolg des Unter­nehmens anstreben. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.

Abb. 2: Wir akzep­tieren uns, wie wir sind — und begegnen uns auf Augenhöhe.

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ÜBER FRANZISKA MÜLLER TIBERINI

Franziska Müller Tiberini ist Media­torin SDM, Super­vi­sorin und Unter­neh­merin. Sie hat 25 Jahre Berufs­er­fahrung in der Begleitung von Famili­en­un­ter­nehmen. Davor war sie 12 Jahre im famili­en­ei­genen Unter­nehmen in der Elektro­in­du­strie tätig, unter anderem als CEO. Ihre Schwer­punkt­themen sind unter­neh­me­rische Nachfol­ge­planung in Famili­en­un­ter­nehmen und Mediation, Kommu­ni­kation sowie Konflikt­lösung. Seit Mai 2020 ist sie Präsi­dentin von „Schwei­ze­ri­scher Dachverband Mediation” (SDM). Mehr über Franziska Müller Tiberini.

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Im Download-Center stellen wir Ihnen diverse Unter­lagen und Arbeits­blätter kostenlos zur Verfügung.

Fotonachweis: Shutter­stock

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Monika Waldburger

Monika Waldburger ist in einem Familienunternehmen aufgewachsen, kennt die Welt der KMU und weiss, wie komplex und vielfältig ein Nachfolgeprozess sein kann. Sie ist Master Coach und Kommunikationsexpertin. Als Sparringpartnerin begleitet und berät sie Menschen, Teams und KMU bei Erkenntnis-, Veränderungs- und Transformationsprozessen.

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