Blog 22: Wie bereite ich mich auf eine Unternehmensbewertung vor?

Unternehmer:innen, die sich auf eine Unter­neh­mens­be­wertung vorbe­reiten wollen, müssen nebst dem Aufbe­reiten von Zahlen, für sich auch wesent­liche Fragen vorab klären. Zum Beispiel die, was sie eigentlich verkaufen wollen. Die Antwort auf diese Frage ist eine der wesent­lichsten Vorbe­rei­tungs­ar­beiten, die der Unter­nehmer oder die Unter­neh­merin leisten kann. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie dabei achten sollten.

Eine Unter­neh­mens­be­wertung zu erstellen, gehört nicht zum Alltag einer Unter­neh­merin oder eines Unter­nehmers. Es ist daher sinnvoll, sich mit dem Anliegen an eine Fachex­pertin oder an einen Fachex­perten zu wenden (z.B. Treuhänder:in). In den meisten Fällen wird diese Person beim Prozess eine wesent­liche Rolle übernehmen.

Als Unternehmer:in kann ich dennoch wertvolle Vorarbeit leisten, sodass der Prozess der Bewertung später schneller vorangeht. Die wichtigste Grundlage für einen guten Prozess: Klarheit haben. Und das in verschie­densten Bereichen. Unser Leitfaden zur Selbst­re­flexion regt dazu an, sich mit wichtigen Fragen rund um die Bewertung ausein­an­der­zu­setzen. Auch unser Excel “Finanzen und Kennzahlen” kann hilfreich sein, wenn es darum geht, ein Gespür für Zahlen, Wert und die eigenen Erwar­tungen zu erhalten.

Bevor Sie sich nun aber mit diesen Unter­lagen an die Vorbe­rei­tungen machen, klären Sie zuallerst folgende Frage: Was will ich überhaupt verkaufen?

Das Ziel der Unter­neh­mens­be­wertung ist in den meisten Fällen der Verkauf der Firma. Zu beant­worten, was man denn nun aber verkaufen möchte, ist oft komplexer, als es zu Beginn den Anschein macht. Der Grund: in vielen Fällen ist Kapital in der Firma gebunden. Und das kann es kompli­ziert machen. Lassen Sie mich dazu einige Ausfüh­rungen machen am Beispiel Familienunternehmen.

Was “wiegt” mein Unternehmen?

Famili­en­un­ter­nehmen werden in der Regel über mehrere Jahrzehnte aufgebaut. Typischer­weise wird der erwirt­schaftete “Überschuss” reinve­stiert und dadurch ein entspre­chendes Vermögen (Anlage­ver­mögen) “angehäuft”. Freie Mittel (Cash Flow) werden gerne in Immobilien, Erwei­te­rungen von Immobilien oder Grund­stücke investiert. Damit wächst das Anlage­ver­mögen im Unter­nehmen, man sagt auch gerne “das Unter­nehmen wird schwerer” und Kapital ist in der Firma “gebunden”. Nicht selten erfolgen diese Investi­tionen mit der Idee, sich damit auch eine Vorsorge aufzubauen.

Späte­stens beim Nachfol­ge­prozess muss sich die Unter­neh­merin und der Unter­nehmer dann aber mit folgenden Frage auseinandersetzen: 

  • Was davon braucht das Unter­nehmen für die Erfüllung seiner Mission? 
  • Was ist tatsächlich notwendig für den Betrieb?

Firmeninhaber:innen müssen nun unter­scheiden, was “betriebs­not­wendig” und was “nicht betriebs­not­wendig” ist. Dazu ein konkretes Beispiel:

Beispiel aus der Praxis

Eine Schrei­nerei kauft eine neue Hobel­ma­schine, dann ist das “betriebs­not­wendig”, weil die Maschine gebraucht wird, um die Aufträge erfüllen zu können. Dies im Gegensatz z.B. zu einem Kauf einer Wohnung (Investoren-Wohnung), die anschliessend vermietet wird. Wenn die Schrei­nerei die Käuferin der Wohnung ist, dann ist diese Wohnung “nicht betriebsnotwendig”.

Der Inhaber oder die Inhaberin der Schrei­nerei muss sich bei einem Firmen­verkauf damit ausein­an­der­setzen, ob die Firma für den nicht betriebs­not­wen­digen Teil einen Käufer findet, der dafür einen fairen Preis bezahlt. In unserem Beispiel lautet die Frage also, gibt es einen Käufer, der sowohl die Firma übernehmen möchte und zusätzlich auch noch die Investoren-Wohnung zum Markt­preis — oder muss das getrennt abgewickelt werden?

Das Beispiel der Schrei­nerei macht deutlich, dass der Entscheid, wie schwer ich mein Unter­nehmen verkaufen möchte, einen relevanten Einfluss hat auf den Nachfolge- und Verkaufsprozess.

Die Geldfrage bei familien- und unternehmensinternen Nachfolgen

Wenn für den Unter­nehmer oder die Unter­neh­merin eine familien- oder unter­neh­mens­in­terne Nachfolge (FBO oder MBO) wichtig ist, dann stellt sich natürlich auch hier die Frage: über welche Mittel verfügen Famili­en­mit­glieder bzw. Mitar­bei­tende, um den Kauf der Firma zu finan­zieren? Das nötige Geld ist oft eine Heraus­for­derung, da sich Famili­en­mit­glieder oder Mitar­bei­tende zum Zeitpunkt einer poten­zi­ellen Nachfolge meistens in einer Lebens­phase befinden, in der sie noch kein nennens­wertes Kapital ansparen konnten (Famili­en­gründung, Wohnungskauf, etc.). Das belegen auch Studien, die zum Thema “Finan­zierung der Übernahme von KMU durch private Nachfolge” gemacht worden sind und die belegen, dass die in den Nachfol­ge­prozess invol­vierten Schlüs­sel­per­sonen die geringen Eigen­mittel von Käufer:innen sowie die überhöhte Preis­vor­stellung von Verkäufer:innen als wichtigste Problem­stel­lungen nennen.

Im Bezug auf das “Gewicht eines Unter­nehmens” ist diese Ausgangslage durchaus relevant, weil daraus ein Konflikt entstehen kann. Möchte ich mein Unter­nehmen “schwer” verkaufen, mit dem ganzen Gewicht (also auch mit nicht betriebs­not­wen­digen Anteilen), dann kann es sein, dass die Nachfolge-Option, die ich als Inhaber:in favori­siere nicht reali­sierbar ist, weil der poten­zielle Nachfolger oder die poten­zielle Nachfol­gerin das Geld dafür nicht aufbringen kann und die Finan­zierung scheitert.

Die Überlegungen einer Käuferin oder eines Käufers

Wer ein schweres Unter­nehmen verkaufen möchte, sollte sich fragen, warum eine Käuferin oder ein Käufer motiviert sein sollte, ein “schweres Unter­nehmen” zu kaufen. Dazu zwei Szenarien.

Szenario 1: Wenn ein:e Käufer:in die Geschäfts­führung übernehmen möchte, ist der Fokus klar ausge­richtet auf das Potenzial der Firma in der Zukunft. Eine solche Person ist grund­sätzlich nicht daran inter­es­siert, ein “schweres Unter­nehmen” zu kaufen. Sie würde eine schwere Firma nur dann kaufen, wenn sie vom Zukunfts-Potenzial überzeugt ist und gleich­zeitig auch grad noch über die nötigen liquiden Mittel verfügt. Aber auch wenn das Geld da ist, ist davon auszu­gehen, dass die Person noch versuchen würde, den Preis zu drücken. Nach der Trans­aktion würde die neue Eigen­tü­merin vermutlich damit beginnen, das “nicht betriebs­not­wendige” Vermögen zu verkaufen, um damit einen Gewinn zu erzielen; was kurzfristig aber nicht ohne entspre­chende steuer­liche Auswir­kungen möglich ist.

Szenario 2: Wenn nun die Person, welche die Firma kaufen möchte, nicht operativ in die Geschäfts­leitung möchte, sondern aus strate­gi­schen Überle­gungen am Kauf inter­es­siert ist, weil sie dadurch z.B. Zugang erhält zu einem Produkt, Patent, Markt oder zu einer Immobilie, dann bewertet diese Person die strate­gische Option höher, als den “Nachteil”, ein “schweres Unter­nehmen” zu kaufen. Das Unter­nehmen wird nach dem Kauf vermutlich integriert oder aufgelöst. Trotzdem wird auch eine solche Person versuchen, den Preis zu “drücken” und nach Argumenten suchen, die einen Preis­nachlass rechtfertigen.

Als Fazit lässt sich zusam­men­fassen, dass beim Verkauf eines schweren Unter­nehmens gute Gründe wie auch die nötige Liqui­dität vorhanden sein muss, dass sich ein poten­zi­eller Käufer darauf einlässt. Und selbst, wenn das Interesse da ist, wird die Käuferin oder der Käufer mit hoher Wahrschein­lichkeit versuchen, den Preis noch zu drücken. Die Verhand­lungs­po­sition des Verkäufers ist nicht dieselbe wie bei einem Unter­nehmen, das betriebs­sinnvoll aufge­stellt ist.

Konkrete Vorbereitung auf die Bewertung

Ganz unabhängig von der Nachfolge-Option, empfehle ich allen, das Unter­nehmen früh genug in eine “betriebs­not­wendige” oder “betriebs­sinn­volle” Form zu bringen. Was heisst das nun? Eine Firma hat dann eine betriebs­sin­volle Form, wenn die Finan­zierung des Kaufpreises nicht die weitere Entwicklung des Unter­nehmens verhindert. Konkret bedeutet das, dass nach der Übernahme genügend Liqui­dität vorhanden sein muss:

  • für die Rückzahlung der Verpflich­tungen aus dem Unter­neh­menskauf an den Verkäufer (Verkäu­fer­dar­lehen) oder an die Bank,
  • für die Finan­zierung des laufenden Betriebs (inkl. Unter­neh­merlohn) sowie 
  • für anste­hende und wichtigen Investi­tionen, Innova­tionen, Wachstum etc. 

Um sicher­zu­stellen, dass diese notwendige Liqui­dität nach der Übernahme gegeben ist, macht es Sinn, dass der Nachfolger oder die Nachfol­geerin zumindest für die ersten 12 Monate einen Liqui­di­tätsplan erstellt und auch die grössten Investi­tionen auf die nächsten Jahre hinaus plant.

Sich als Unternehmer:in die Frage zu beant­worten, wie schwer ich meine Firma verkaufen möchte und wer sie in eine “betriebs­sin­volle” Form bringen soll, erachte ich als eine der wichtigsten Kernfragen, bevor eine Unter­neh­mens­be­wertung erstellt werden sollte.

Andreas Salcher, Nachfolgeexperte

Die Trennung von betriebs­not­wen­digem und nicht betriebs­not­wen­digem Vermögen ist eine Überlegung die zu jeder Nachfolge gehört. Ob Sie sich als Verkäufer:in damit ausein­an­der­setzen oder es dem Käufer delegieren, hat einen relevanten Impact auf den ganzen Nachfolge- und Verkaufsprozess:

  • Entweder Sie als Unternehmer:in bringen Ihre Firma vor dem Verkauf in eine “betriebs­sinn­volle” Form
  • oder es gelingt Ihnen, einen liquiden Käufer zu finden, der bereit ist, ein schweres Unter­nehmen zu kaufen und die von betriebs­not­wen­digem und nicht betriebs­not­wen­digem Vermögen nach der Übernahme selber vornimmt.

Sich als Unternehmer:in diese Frage zu beant­worten, erachte ich persönlich als eine der wichtigsten Vorbe­rei­tungs­auf­gaben zur Unter­neh­mens­be­wertung. Sobald diese Frage geklärt, können die weiteren Schritte für die Erstellung der konkreten Unter­neh­mens­be­wertung folgen.

Dazu gehören — wie auch bereits im Blog 21 “Was ist meine Firma wert?” ausge­führt — die Aufbe­reitung der Zahlen. Aus der Finanz­buch­haltung (Fibu) dient dabei die Betriebs­buch­haltung (Bebu) als wichtigste Basis für die Berechnung der relevanten Kennzahlen und der verschie­denen Unternehmenswerte.

Mehr zum Thema “KMU Unternehmensbewertung”

Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge und Bewertung” ausein­an­der­setzen möchten, haben wir nützliche Inhalte aufbereitet:

Im Download-Center finden Sie zudem unter dem Schlagwort “Trans­ak­ti­ons­kosten” ergän­zende Arbeitsblätter.

Glossar — Schlüsselbegriffe kurz erklärt

Nachfolge-Optionen
Bei praktisch allen Nachfol­ge­pro­zessen bei KMU wird eine der folgenden Nachfolge-Optionen umgesetzt:

  • famili­en­in­terne Übertragung (Family-Buy-Out)
  • unter­neh­mens­in­terne Übertragung (Management-Buy-Out)
  • unter­neh­mens­externe Übertragung (Management-Buy-In) durch Verkauf.

Family-Buy-Out (FBO)
Bei einem FBO wird das Unter­nehmen an einen oder mehrere Nachkommen des Eigen­tümers oder an andere Famili­en­mit­glieder weiter­ge­geben. Die Eigen­tums­nach­folge findet innerhalb der Familie statt.

Management-Buy-Out (MBO)
Bei einem MBO verkauft der Inhaber oder die Inhaberin die Firma an das bisherige Management, an einen oder mehrere leitende Angestellte.

Management-Buy-In (MBI)
Beim MBI verkauft die Inhaberin oder der Inhaber die Firma an eine Person, die nicht im Unter­nehmen tätig ist. Dabei kann es sich um eine Privat­person handeln, um eine Firma aus derselben oder einer verwandten Branche oder um einen reinen Investor.

Finanz­buch­haltung
Die Finanz­buch­haltung (Abkürzung im Fachjargon: Fibu) ist ein Teilbe­reich des betrieb­lichen Rechnungs­wesens, der alle Geschäfts­vor­fälle erfasst, die einen Zahlungs­strom auslösen. Dazu gehören auch Forde­rungen und Verbind­lich­keiten, die bei Fälligkeit zu Bareinzahlungen/Barauszahlungen oder einer entspre­chenden Verän­derung des Zahlungs­mit­tel­be­stands führen. Sie heisst deshalb auch pagato­rische Buchhaltung. Die Finanz­buch­haltung ist von der Betriebs­buch­haltung (die auch kalku­la­to­rische Kosten erfasst) organi­sa­to­risch abgetrennt; beide Bereiche ergeben die Gesamt­buch­haltung. Die Finanz­buch­haltung liefert das Zahlen­ma­terial zur Erstellung der Bilanz und der Gewinn- und Verlust­rechnung (GuV), aus denen sich Lage und Gesamt­erfolg des Betriebs erkennen lassen.

Betriebs­buch­haltung
Das betrieb­liche Rechnungs­wesen (Abkürzung im Fachjargon: Bebu) stellt die interne Rechnung eines Betriebes dar. Die Betriebs­buch­haltung setzt auf der Basis der Finanz­buch­haltung auf und enthält die tatsäch­lichen Werte (Abschrei­bungen, Bewertung von Vorräten und Tierbe­stand, Risiken etc.) und nicht steuerlich optimierte Werte. Es erfasst die Kosten und Erlöse anstatt Aufwände und Erträge von einzelnen Produkten/Betriebszweigen und Dienst­lei­stungen. Im Gegensatz zur Finanz­buch­haltung umfasst die Betriebs­buch­haltung die Kosten- und Leistungs­rechnung (Kosten­rechnung) und als Neben­rech­nungen: Materi­al­buch­haltung, Lohnbuch­führung und Anlagenbuchhaltung.

Fotonachweis: Shutter­stock

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Andreas Salcher

Wenn Andreas Salcher KMU bei Nachfolgeprozessen begleitet, kommt seine ganze Erfahrung als Organisationsentwickler zum Tragen. Als Mediator unterstützt er KMU während Veränderungsprozessen auch bei Konflikten. Vor seinem Engagement als Nachfolgeexperte war Andreas Salcher lange in der Bankenbranche tätig, auch dort mit dem Fokus KMU.

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